Mehr Spaß, viele Pennies – wie sich ein Journalist im Internet neu erfand
12Mut haben. Sein eigenes Ding machen und damit Geld verdienen. Seitdem ich LousyPennies gestartet habe, treffe ich immer mehr Menschen, die diesen Schritt bereits erfolgreich getan haben. Sie verdienen ihren Lebensunterhalt durch oder mithilfe eines journalistischen Internet-Angebots.
Einer von ihnen ist Franz Neumeier. Er war bis 2007 Chefredakteur von „Internet Professionell“ und „PC Professionell“, dann von 2007 bis 2009 bei WEKA Chefredakteur des „Internet Magazin“. Als er diesen Job Ende 2009 verlor, machte er sich mit der Kreuzfahrtseite cruisetricks.de selbständig – und erfand sich quasi neu.
Ich bin auf ihn in den Kommentaren zu einem Artikel auf LousyPennies gestoßen und habe mich sehr gefreut, dass er mich in München in Sichtweite der Burda-Zentrale zum Gespräch traf. Und hier ist das Ergebnis:
„Ich bin ein weitaus glücklicherer Mensch als früher“
Lieber Franz, es gibt da dieses Bild von Dir: Du im Bugnetz des Segelschiffs Star Flyer, den Laptop auf den Knien. Muss ich mir so Deine Arbeit vorstellen?
Ok, ich gebe zu, das Foto ist gestellt – so arbeite ich nicht wirklich. Aber tatsächlich ermöglicht es mir meine Arbeit, etwa drei Monate im Jahr auf Kreuzfahrtschiffen zu verbringen, den Laptop hab ich immer dabei.
Also knapp zwölf Wochen Urlaub im Jahr?
Nein, Urlaub ist das nicht – auch wenn es natürlich schön ist. Wenn ich auf einem Kreuzfahrtschiff unterwegs bin, wirst Du mich ständig mit der Kamera und dem Notizbuch sehen. Wenn ich das Schiff wieder verlasse, habe ich Zwei- bis Dreitausend Fotos geschossen, war fast überall an Bord und kenne jedes Detail bis hin zu sämtlichen Getränkepreisen in den Bars und Restaurants.
Der rasende Reporter…
Ja. Und dann gibt es immer wieder einige Kollegen, die mir von ihrer Liege am Pool mit dem Cocktail in der Hand zusehen und mitleidig sagen: „Ja, das hab ich früher auch noch getan.“ Leider lesen sich dann auch die Texte dieser Kollegen so, als wären sie gar nicht an Bord gewesen.
„Das ist keine Sache von Online oder Print. Das ist eine Sache von Arbeitsethos.“
Das heißt für Dich also, der Online-Journalist liefert heute bessere Arbeit als der Print-Kollege?
Nein, auf keinen Fall. Das ist keine Sache von Online oder Print. Das ist eine Sache von Arbeitsethos. Ich arbeite ja auch noch sehr viel für Print, schreibe viel für verschiedene Zeitungen und Magazine.
…wo wir bei den Lousy Pennies wären. Wie verdienst Du Deine Pennies?
Mit einem Mix aus verschiedenen journalistischen Tätigkeiten. Wie gesagt, schreibe ich ja wie jeder freie Journalist für verschiedene Verlage. Aber immer mehr Einkommen kommt durch cruisetricks.de herein.
Wie viel?
So genau möchte ich das nicht sagen. Aber es wäre genug, um mich als Einzelperson gut zu finanzieren. Da wir eine Familie sind und im teuren München leben, bin ich aber froh, dass meine Frau auch noch verdient.
Kannst Du sagen, wie der Anteil Deiner Webseite an Deinem Einkommen prozentual gesehen ist?
Das schwankt sehr, weil die Print-Aufträge sehr unregelmäßig kommen. Aber es sind immer mindestens 60 Prozent, oft auch mehr. Der Online-Anteil ist in den letzten drei Jahren beständig gewachsen. Und tatsächlich deutlich stabiler als die Print-Einnahmen.
„Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht.“
Das führt uns zum Start von cruisetricks.de. Wie wird man denn vom Print-Computer-Journalisten zum Kreuzfahrt-Profi?
Nun ja, bis 2009 war ich Chefredakteur vom „Internet Magazin“ und habe als Hobby nebenher die englischsprachige Seite steamboats.org betrieben. Als der Verlag dann meinte, dass ein solches Magazin auch gänzlich ohne Chefredakteur auskommt, habe ich mein Hobby Kreuzfahrten zum Beruf gemacht. Ich habe die Gründer-Förderung der Arbeitsagentur bekommen und konnte sofort mit cruisetricks.de starten.
Das ging so einfach?
Natürlich nicht, jede Seite braucht ihre Anlaufzeit. Aber ich hatte einen genialen Start, denn durch einen Zufall war ich der erste deutsche Journalist, der auf die damals neue „Oasis of the Seas“ durfte – das größte Kreuzfahrtschiff der Welt. Meine Frau, die ja auf der Seite mitschreibt und sehr stark in den sozialen Medien aktiv ist, hatte einen Wettbewerb gewonnen und ich durfte mit. Ich konnte fast eine Woche lang jedes Detail des Schiffes begutachten und später darüber berichten. Das nicht nur meiner Webseite einen unglaublichen Schub gebracht, sondern auch einige Zeitungsaufträge. Auch Bilder konnte ich verkaufen.
Wo steht Deine Seite aktuell zahlenmäßig?
Im Januar hatte ich mit 78.000 Besuchern (Visitors) einen neuen Rekord, das brachte insgesamt 273.000 Seitenabrufe (PIs). Davon kamen 58 Prozent über eine Suche, 25 direkt, acht über Links und neun Prozent über meinen RSS-Feed und den Newsletter. Im Moment sieht es so aus, als würde es bei diesen Zahlen bleiben.
Wie wichtig ist der Newsletter für Dich?
Sehr. Ich habe leider viel zu spät angefangen, ihn aufzubauen. Aktuell hat er ungefähr 700 Abonnenten, darunter viele Reisebüros und andere Touristiker. Ich möchte die Zahl der Abos dringend ausbauen, um den Newsletter dann irgendwann mal vermarkten zu können. (Tipps zum Aufbau eines Newsletter-Verteilers findet Ihr hier, Anm. d. Red.)
Stichwort Vermarktung: Woher kommen Deine Einnahmen?
Die Webseite und die Vermarktung von Anzeigenplatz ist für mich das Wichtigste. Gleichzeitig ist die Webseite aber auch das ideale Instrument, um mich selbst als journalistischen Spezialisten für den Bereich Kreuzfahrt zu positionieren – und zwar durch hochwertige und gut recherchierte Inhalte, die sonst keiner hat. Das führt dann dazu, dass ich auf weiteren Kanälen ein Einkommen generieren kann: Als Schreiber für Print-Produkte, durch das Verkaufen von Fotos, durch mein Buch „Der cruisetricks.de Kreuzfahrt-Ratgeber“ und als Sprecher oder Moderator bei touristischen Veranstaltungen.
Wie stehst Du zu gesponserten Beiträgen? Also Texten, die von einem Anzeigen-Kunden bezahlt werden.
Das habe ich ein paar Mal ausprobiert, aber ich sehe das sehr zurückhaltend. Wer das macht, der sollte es auf jeden Fall ganz klar kennzeichnen und kommunizieren. Denn das wäre fatal fürs Renommee, wenn man bei einer solchen Schleichwerbung ertappt wird. Ich schreibe auch immer, ob ich für eine Story von einer Reederei eingeladen wurde – und scheue mich auch nicht davor, dennoch etwas Negatives zu schreiben.
Stichwort Renommee: Nehmen Dich die Reedereien inzwischen als gleichwertig zu den traditionellen Print-Journalisten wahr?
Die meisten. Aber es gibt schon noch einige, die mit dem Medium Internet noch nicht viel anfangen können.
„Ich habe an Lebensqualität gewonnen.“
Was bedeutet das Medium Internet für Dich?
Zum einen persönliche Freiheit. Ich bin nach Jahren als Angestellter endlich mein eigener Herr und habe enorm an Lebensqualität gewonnen. Ich bin ein weitaus glücklicherer Mensch als früher. Nicht nur, weil ich so viel Zeit an Bord von Kreuzfahrtschiffen verbringen kann, sondern weil ich mir meine Zeit viel besser einteilen kann. Ich bin auch plötzlich zum Hausmann geworden und koche zum Beispiel begeistert.
Und aus journalistischer Sicht?
Ich muss schneller sein als früher. Wenn ich eine Nachricht erhalte, etwa zu einem Unfall auf einem Kreuzfahrtschiff, dann muss ich die sofort rausjagen, sonst werde ich nicht wahr genommen. Mit weiteren Infos kann ich die News ja später noch ergänzen. Man muss da auch strategisch denken: Wenn etwas Großes passiert ist, muss ich damit Online sein, bevor es um 18:45 bei RTL läuft. Denn wenn die Menschen es dort sehen, fangen sie an zu googeln.
Ist das nicht gefährlich, einfach schnell jede News rauszublasen?
Da kommt nun wieder das journalistische Handwerkszeug ins Spiel. Es ist tatsächlich schwerer geworden, die Quellen im Internet zu bewerten. Aber vor allem für einen Journalisten, der sich nicht jeden Tag mit nur einem bestimmten Thema beschäftigt. Ich kenne oft die Quellen und weiß, wo ich nachsehen muss, um sie gegen zu checken. Da bin ich schneller und effektiver als jeder Generalist.
Wie wichtig ist Google-News?
Das ist eine Traffic-Quelle und ich musste es mir hart erarbeiten, dort aufgenommen zu werden. Aber die meisten Leser kommen über eine direkte Google-Suche.
„Es macht mir mehr Spaß, Online zu schreiben.“
Viel wird ja über suchmaschinenoptimiertes Schreiben gesprochen. Wie nimmst Du das wahr?
Ich glaube, dass Qualität siegt. Aber es gibt schon einen Unterschied zwischen Online- und Print-Texten im Reisebereich. Die klassische Reisereportage hat oft einen romantischen Einstieg und plätschert dann so dahin, ein Online-Text ist wesentlich Fakten-orientierter. Das liegt mir aber, da ich schon immer eher der Fakten-Mensch war. Und tatsächlich macht es mir oft mehr Spaß, Online zu schreiben.
Wie sehen Deine Zukunftspläne für cruisetricks.de aus?
Zum einen hoffe ich, dass sich der Traffic in den nächsten Jahren verdoppelt – das wird sich dann auch gleich auf der Einnahmen-Seite bemerkbar machen. Zum anderen möchte ich meine Seite noch stärker auf mobile Geräte optimieren und anfangen, meinen Newsletter zu vermarkten. Ich werde auch sicher noch einige Bücher als E-Books veröffentlichen.
Und thematisch?
Ich möchte noch stärker in den Datenjournalismus gehen und etwa eine Datenbank für die Getränkepreise auf allen Kreuzfahrtschiffen aufbauen. Das ist tatsächlich ein großes Thema in der Szene und ein wichtiges Argument bei der Entscheidung für eine Reise.
Hast Du auch an einen höheren Bewegtbild-Anteil gedacht? Immerhin sprechen im Moment alle davon, dass Video immer wichtiger werden soll.
Ich habe es probiert. Aber ganz ehrlich ist es nicht meine Kernkompetenz – und ich finde, man muss als Einzelkämpfer nicht alles machen. Was ich auf meiner Seite habe, sind sehr aufwändig produzierte 360-Grad-Panorama-Bilder von den Kreuzfahrtschiffen. Das bringt zwar nicht so viel in der Suche, aber wieder beim Renommee. Da die nicht so einfach nachzumachen sind, sind sie etwas, was meine Seite einzigartig macht – mein USP.
Jetzt muss die Frage kommen: Was hältst Du denn vom Leistungsschutzrecht?
Wenig, denn ich habe bis jetzt nicht verstanden, warum hier eine bestimmte Gruppe etwas schützen will, was sie eigentlich gar nicht selbst produziert hat. Denn die Verleger kaufen ihren festen und freien Mitarbeitern mit Knebelverträgen alle Rechte an den von ihnen produzierten Beiträgen ab. Also wird gar nicht die Leistung, sondern nur der Content geschützt. Und auch das verstehe ich nicht: Ich lebe von Google – und die Verlage tun es auch.
Zum Abschluss: Was würdest Du nun allen Journalisten raten, die sich überlegen, ihr Glück im Internet zu versuchen?
Finde Deinen eigenen Weg, der einzigartig ist und kaum zu kopieren. Tue etwas, was Dir Spaß macht – und beginne damit sofort. Online findet sich der Weg durch ständiges Ausprobieren, aus jedem Fehler lernt man und wird besser. Das Internet bietet uns Journalisten eine einzigartige Chance, uns selbst zu positionieren und Einkommen zu generieren. Wichtig ist: Man muss durch Qualität auffallen.
Interessant, den Werdegang von Franz zu lesen. Ich kann nachvollziehen, dass es ihm Spaß macht, über sein „Hobby“ schreiben zu können und so viele Interessierte an seinen vielfältigen Erfahrungen teilhaben zu lassen.
Sehr schöner Beitrag. Der Mann hat die Zeichen der Zeit eindeutig erkannt.
Interessant, frage mich nur, wie er auf Kreuzfahrtschiffen arbeiten kann. Internet gibt dort – wenn überhaupt – nur zu horrenden Preisen, auf See meist nur via Satellit. Ich habe zwei Reedereien gefragt und diese Antwort bekommen, u.a. deshalb habe ich mich für einen Job an Bord dann nicht beworben
Die Antwort ist, glaube ich, relativ einfach: Franz macht ja keine oder kaum Live-Berichterstattung, sondern recherchiert an Bord und veröffentlicht dann seine Artikel, wenn er wieder zuhause ist. So wie fast jeder andere Journalist auch, der an einer Pressreise teilnimmt. Diese dauern ja selten mehr als ein paar Tage. Ich hoffe, das erklärt es.
Hätte ich mir auch so gedacht, aber er schrieb ja, dass er oft lange auf See ist und seine Geschichten sehr schnell online stellen muss
Eine Live-Berichterstattung ist überhaupt kein Problem auf hoher See, das ist beispielsweise meine USP. Selbst HD-Videos aus der Antarktis waren kein Problem und hunderte von Bildern. Wenn man will geht alles. ;)
Höchst inspierendes Interview, vielen Dank dafür! „Finde Deinen eigenen Weg, der einzigartig ist und kaum zu kopieren. Tue etwas, was Dir Spaß macht“- das ist auch für mich ein Leitsatz, bei dem ich nur zustimmend nicken konnte.
[…] für den Blog stammt also aus persönlichem Interesse. Auf lousypennies.de erzählt in einem Interview aus seinem […]
die Option, tatsächlich als Betreiber eines Blogs mit journalistischem Anspruch auch wirklich einmal damit sein Auskommen zu erzielen, stimmt mich als Betroffener optimistisch, möge die Zukunft dies bestätigen, denn eigentlich laufen wir doch alle einer rasanten Entwicklung hinterher. Erfolgsbeispiele aus Vergangenheit und bestenfalls Gegenwart haben meiner Erfahrung nach leider keine relevante Aussage, wie sich das alles in unmittelbarer Zukunft darstellt. Ist es nicht eher so, dass da wie in anderen Branchen die Schere zwischen bereits Erfolgreichen und erwartungsfrohen Neueinsteigern praktisch immer weiter auseinander geht?
Bleibt also weiterhin das Prinzip Hoffnung …
Natürlich kann und wird nicht jeder Erfolg haben. Aber ich bin der Meinung: Jeder sollte es zumindest probieren!
Vor kurzem hat Franz auf referiert für den Verband deutscher Reisejournalisten und hat seinen Verdienst aufgedeckt und sein Businessmodell erklärt. Laut seiner Aussage verdient er in etwa 1500 Euro mit seinem, so sagt er „Qualitätsjournalismus“. Das ist für mich jetzt nicht sonderlich viel, gerade in Anbetracht das dieses Blog seit 2009 geführt wird.
Hier ist es sogar online, ein Zitat von: http://vdrj.de/nc/columbus-medien/columbus-online/artikel/datum/2013/10/07/die-reise-geht-weiter/
„[…]Allerdings warnte er davor, sich als Ziel zu setzen, mit einem Online-Auftritt seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Dies, so seine Erfahrung, funktioniere derzeit noch nicht.“