Sebastian Esser über Steady: „Crowdfunding ohne Drama“
5Fast unbemerkt startete Anfang des Jahres eine neue Bezahlplattform für Journalisten und Blogger in Deutschland: Steady ist seit Januar in der öffentlichen Beta-Phase.
Jeder, der Inhalte publiziert, kann bei Steady teilnehmen. Und einige verdienen schon jetzt gutes Geld damit. Einer der Macher von Steady ist Sebastian Esser, Mitbegründer der Krautreporter. Mit ihm habe ich über die neue Plattform und die Chancen des Geldverdienens im Journalismus gesprochen.
„Fünf Prozent einer Community würden eine Veröffentlichung finanziell unterstützen“
Sebastian, kannst Du kurz beschreiben, was Steady ist?
Steady ist eine Plattform für Abo-Crowdfunding. Wobei das weniger mit Crowdfunding zu tun hat, als es klingt. Wir wollen Leser zu Abonnenten machen und dazu nutzen wir die Mechaniken des Crowdfunding. Die Leser sollen überzeugt werden zu bezahlen, ohne dass sie es müssen.
Wir gehen davon aus, dass etwa fünf Prozent einer Community eine Veröffentlichung finanziell unterstützen würden. Community sind Menschen, die eine emotionale Bindung an die Marke oder den Reporter haben. Mit Steady kann der Publizist für diese fünf Prozent ein Mitgliedschaftsmodell aufsetzen.
Die Blogger und Journalisten, mit denen wir im letzten Jahr gesprochen haben, sehen es als immer wichtiger an, sich von der Werbefinanzierung frei zu machen. Auch weil die Einnahmen aus den Anzeigen tendenziell sinken. Zudem ist es viel angenehmer eine direkte Beziehung zum Leser aufzubauen, die sich in Einnahmen niederschlägt.
Das gilt übrigens nicht nur für Journalisten oder Blogger. Wir glauben, dass es für fast jeden funktioniert, der etwas mit Inhalt machen.
Wie kommst Du auf die Zahl mit fünf Prozent?
Die Zahl kommt aus dem klassischen Crowdfunding. Wir haben bei Steady getestet, ob diese Durchschnittswerte auch auf unser Modell zutreffen, da wir dieselben Konversionstechniken benutzen. Und da kommen wir mit den fünf Prozent ganz gut hin.
Das bedeutet aber nicht, dass fünf Prozent der Leser direkt mit an Bord einer Kampagne sind. Man muss sie überzeugen einen zu unterstützen. Die fünf Prozent stellen nur das Potential dar.
Wir gehen außerdem davon aus, dass diese fünf Prozent fünf Euro im Schnitt beitragen würden. Im Augenblick liegt der Betrag bei Steady sogar etwas darüber, aber die Grundgesamtheit ist noch zu klein für zuverlässige Aussagen.
“Steady” heißt ja “stetig”. Auf der Webseite sieht es aber so aus, als müsste ich monatlich Kampagnen fahren.
Steady ist Crowdfunding ohne Drama.Nicht ganz. Stell Dir Steady als Crowdfunding ohne Drama vor. Es gibt nicht die tickende Zeitbombe, die einen zwingt ständig jemanden zum Zahlen zu bewegen, damit man nur ja das gesteckte Ziel erreicht. Das kenne ich ja von Krautreporter noch sehr gut – eine sehr stressige Angelegenheit.Steady-Unterstützer lassen sich dagegen langsam aufbauen. Viele Webseitenbetreiber setzen das System erst einmal auf, akquirieren ein paar Freunde, lassen es nach und nach wachsen, bauen das Widget auf der Seite ein … ganz in Ruhe, ohne Druck.
Kampagne bedeutet bei uns daher eher klassisches Marketing, also die Leser zu zahlenden Abonnenten zu machen. Wenn man sie mehr als einmal darauf hinweist, wird es funktionieren. Das geht per Newsletter, Facebook, WhatsApp, Twitter oder direkt unter den Beiträgen auf einer Webseite.
Ein Beispiel: Georg Watzlawek vom Bürgerportal Bergisch Gladbach bekommt fast 1.000 Euro Unterstützung und hat erst vor zwei Monaten bei uns angefangen. Er hat das Steady-Widget auf seine Seite gestellt und ein paar E-Mails geschrieben. Gestresst war er davon nicht und da sich die meisten Untertsützer auf ein Jahr binden, bekommt er die knapp tausend Euro erstmal monatlich. Genau das unterscheidet Steady-Unterstützung vom einmaligen Effekt des klassischen Crowdfunding.
Also mache ich Leser zu Abonnenten, die sich auf eine bestimmte Zeit verpflichten?
Die Leser können jeden Monat kündigen. Der Webseitenbetreiber profitiert aber von einer gewissen Trägheit, was den Willen zur Kündigung angeht.
Wer einmal ein Abo abschließt bleibt oft treuDas ist das selbe Prinzip wie im klassischen Print-Abomarketing. Dort bekommt man vielleicht einen Toaster geschenkt, wenn man ein Spiegel-Abo abschließt. Die Abo-Abteilung weiß aber, dass ein Gutteil der Leute bleiben wird. Wer einmal ein Abo abschließt bleibt oft treu.Der Toaster wäre also das, was Ihr auf der Webseite als “Dankeschön” bezeichnet?
Da handelt es sich nun wirklich um klassisches Marketing. Ich verstehe davon an sich nicht viel, ich bin ja Journalist. Aber was ich mir hab erzählen lassen, gehören zum erfolgreichen Marketing immer zwei Dinge: Zum einen stellt sich der potentielle Abonnent die Frage “was habe ich eigentlich davon?” Da bieten sich im Fall von Webseiten Prämienpakete wie zusätzliche Podcasts, spezielle Newsletter oder ein Mitgliederbereich an. Zum anderen muss es grundsätzlich attraktiv wirken. Dazu braucht es eine gute Vorstellungsseite mit einer Vorstellung, einem guten Foto oder Video und viel Transparenz.
„Mir wurde klar, ich muss das jetzt selbst machen“
Du hast gerade selbst gesagt: Du bist ja Journalist. Wie kommen Journalisten darauf, plötzlich eine Bezahlplattform zu entwickeln?
Ich habe mich selbstständig gemacht, nachdem mir zum zweiten Mal ein Magazin unterm Hintern zu gemacht worden ist: die Vanity Fair. Da habe ich gemerkt: Die Verlage haben große Schwierigkeiten sich zu finanzieren. Es ist ja nicht so, dass der Bedarf an Journalismus nicht mehr vorhanden ist. Das Kernproblem ist eben im Augenblick die Finanzierung.
Ich will jetzt gar nicht alle Podiumsdiskussionen der letzten Jahre nochmal durchkauen. Aber mir wurde klar, ich muss das selbst machen. Es braucht aber eine Lösung abseits von Verlagen, weil die derzeit zu stark mit dem Strukturwandel beschäftigt sind. Dann lieber als Journalist selbst etwas Neues entwickeln.
Ich habe mich selbstständig gemacht, nachdem mir zum zweiten Mal ein Magazin unterm Hintern zu gemacht worden istWir haben 2012 Krautreporter zunächst als Crowdfunding-Plattform für Journalismus gegründet. Das hat super funktioniert, in einem Jahr hatten wir eine viertel Million Euro mit journalistischen Projekten umgesetzt. Dann haben wir quasi als Beweis das Krautreporter-Magazin veröffentlicht. Dabei haben wir gemerkt, dass es technisch recht schwierig ist, ein Mitgliedschaftsmodell aufzusetzen. Auch die großen Medien hatten das vor drei Jahren ja noch nicht – es gab lediglich Bild plus, alle anderen kommen erst jetzt damit um die Ecke.Aber es ist schwer ein Mitgliedschaftsmodell aufzusetzen – gerade als Einzelkämpfer. Wenn ich ein Podcaster, ein Blogger, ein Youtuber bin, kann ich kaum mit den ganzen Payment-Anbietern sprechen, die Mehrwertsteuerregeln in europäischer Dimension beachten und automatisiert den Mitgliedern rechtlich sichere Rechnungen ausstellen. Viele versuchen es dann mit einem Paypal-Button, aber das ist nicht wirklich Vermarktung.
Steadys Idee ist, dass auch ein Einzelkämpfer ein Mitgliedschaftsmodell in wenigen Minuten zu starten. Das haben wir getan – seit einem knappen Jahr arbeiten wir daran und sind seit Anfang des Jahres in der öffentlichen Betaphase.
„350.000 Euro klingt zunächst nach wahnsinnig viel“
Google hat Euch mit 350.000 Euro aus der Digital News Initiative gefördert. Kannst Du uns erzählen, wie Ihr an diese Förderung gekommen seid?
Wir haben uns beworben, haben beschrieben was wir vorhaben – sehr konkret – und die Jury fand das gut. Wir hatten Steady ohnehin vorher als klassisches Startup geplant und es erst dann Google gezeigt. Die fanden das überzeugend, weil es auch als Geschäftsmodell funktionieren kann und nicht nur eben mal so irgendeine Idee ist.
Ihr seid acht Menschen, dazu braucht Ihr Technik – haben da die 350.000 Euro von Google gereicht?
Du hast recht, 350.000 Euro klingt zunächst nach wahnsinnig viel – gerade für Blogger. Aber wenn man in Berlin Software-Entwickler, Designer und Techniker beschäftigen will, dann braucht man mehr Geld.
Wir haben weitere Investoren gefunden und sind auf Dauer gesichert. Wir reden immer mit Leuten, die das Projekt interessant finden.
Das ist eine Lernkurve, die viele Journalisten interessiert: die Professionalisierung der Journalisten in Richtung tragfähiges Geschäftsmodell. Hast Du eine Perle der Weisheit für die Kollegen?
Journalisten sind die schlechtesten Kommunikatoren, die man sich vorstellen kannIch habe da mit ganz vielen Kollegen geredet und bin ja selbst einer. Wir Journalisten sind schon eine spezielle Gruppe. Wir arbeiten indem wir kommunizieren, gleichzeitig sind aber Journalisten mit die schlechtesten Kommunikatoren, die man sich vorstellen kann.Sich selbst zu vermarkten, ist uns Journalisten völlig fremd. Wir gehen davon aus, dass wenn wir eine tolle Geschichte schreiben, dann wird das Geld schon von irgendwo herkommen. Das ist der fundamentale Fehler. Das funktioniert nicht.
Oft würde es schon reichen zu sagen: Ich brauche den Betrag X und zwar für folgendes Projekt – dann zahlen die Leute das auch. Gerade für journalistischen Inhalte mit Glaubwürdigkeit und Emotionalität sind Menschen durchaus bereit Geld zu geben. Aber Journalisten müssen eben darum bitten, auch mehrfach. Zehn E-Mails schreiben, um einen zu überzeugen – das ist kein Betteln, das macht jeder Unternehmer so.
Steady soll dieses Bitten möglichst einfach machen. Wir versuchen es psychologisch so aufzubereiten, dass auch Journalisten Marketing betreiben, ohne dass es ihnen so richtig bewusst ist.
„Bei Lastschrift sind die Kosten am niedrigsten“
Thema Datenschutz und Sicherheit: Wie sichert Ihr das ab?
Wir benutzen zunächst die hohen Sicherheitsstandards der Bezahldienstleister. Du kannst bei uns mit Paypal, Kreditkarte oder Lastschrift bezahlen. Da haben wir Dienstleister, die das Thema Sicherheit wahnsinnig ernst nehmen, da es ihr Kerngeschäft ist.
Wer sich mit Paypal nicht sicher fühlt – auch angesichts der politischen Lage – bedient sich der Lastschrift. Dafür nutzen wir das Unternehmen GoCardless. Und für Kreditkarten arbeiten wir mit Braintree zusammen. Wir speichern selbst damit also gar keine Zahlungsdaten.
Die Namen der Unterstützer liegen aber auf euren Servern?
Richtig, in Augsburg, also Bayern, sehr sicher. Aber natürlich geht es um Geld und Vertrauen. Darum nehmen wir das Thema sehr ernst.
Du hast drei Zahlungsmöglichkeiten angesprochen. Was nutzen die Unterstützer bei Steady am liebsten?
Lastschrift. Zum Glück. Denn da sind die Kosten am niedrigsten – nur ein Prozent pro Transaktion. 80 Prozent der Unterstützer von Webseiten nutzen das. Wir optimieren Steady auch darauf: Es gibt einen sehr großen Lastschrift-Button und kleinere PayPal- und Kreditkarten-Buttons.
Komisch, dass das in Deutschland so ist, denn seine SEPA-Lastschriftdaten zu verschicken ist ähnlich gefährlich wie seine Kreditkartendaten zu verschicken.
Wie die Zukunft von Steady aussieht
Apropos Deutschland: Werdet Ihr international expandieren?
Das wollen wir tatsächlich. Es gibt jetzt schon eine englische Version der Webseite und es gibt bald erste Projekte außerhalb Deutschlands.
Damit wir damit Geld verdienen, muss es ziemlich groß werden. Wir brauchen einen größeren Markt als Deutschland. Und es gibt auch keinen Grund, warum wir nicht damit in andere Euro-Staaten gehen. Aber für den Start konzentrieren wir uns auf Deutschland und den Bereich Journalismus.
Wir können dann künftig über Journalismus hinausgehen: Videos, Podcasts, Software, Vereine … da sehen wir viel Potential.
Wie viele Publisher nutzen Eure Plattform stand heute?
44 Projekte und mehr als 800 zahlende Unterstützer, ob wohl es erst im Januar richtig losging.
Richtet Ihr Euch hauptsächlich an Blogger und kleine journalistische Unternehmen oder gibt es auch Verlagshäuser, mit denen Ihr zusammenarbeitet?
Mit Verlagen reden wir, gerade weil die auf einer Technik sitzen, die viel zu groß ist. Die haben oft Aboverwaltungs-Software aus den 90ern, die alles mögliche kann, die aber auch sehr schwerfällig ist. Die müssten erst ein halbes Jahr programmieren, dagegen ist Steady in zehn Minuten ausprobiert.
Die Verlage wollen aber mehr Flexibilität von uns, und dafür müssen wir unsere API erst einmal fertigstellen. Das dauert aber nicht mehr Jahre sondern Monate.
„Wir wollen nicht bestimmen, wer mit welchen Inhalten Geld verdient“
Gibt es Qualitätskriterien, die Ihr an die Publisher anlegt? Oder darf jeder mitmachen?
Wir sind keine Zensoren. Wir wollen nicht bestimmen, wer mit welchen Inhalten Geld verdient. Aber es gibt klare Kriterien dafür, was wir nicht erlauben. Diskriminierende Inhalte zum Beispiel. Das ist aber üblich – auch bei Youtube oder Kickstarter. Wir sagen einfach nur: Es gibt Grenzen.
Man kann zum Beispiel auch nicht einfach nur Geld verlangen ohne Projekt.
In unseren Blog-Kursen merken wir: Blogger, die sich professionalisieren, sind oft verunsichert über die steuerrechtliche Seite des Geschäfts. Was übernehmt Ihr da an Service?
Wir sind ein Wiederverkäufer. Die Rechnungen, die wir an Deine Unterstützer ausstellen, sind Rechnungen von Steady. Du bekommst dann von uns eine Gutschrift mit Deinem Mehrwertsteuerbetrag darauf – das gibst Du dem Steuerberater und fertig.
Wieviel verlangt Ihr dafür?
Zehn Prozent.
Wie lange bindet sich der Publisher an Euch?
Gar nicht, man kann jederzeit wieder aufhören und die Mitglieder sogar als CSV-Datei exportieren. Das wollen wir auch so. Ein Journalist oder Publizist kann einfach mal testen und Erfahrung generieren. Im schlimmsten Fall schickt Dir jemand Geld.Im schlimmsten Fall schickt Dir jemand Geld.
„Wir haben noch viel zu tun … aber das Grundprinzip funktioniert“
Steady sieht an sich “fertig” aus. Was kommt als nächstes?
Steady funktioniert, ist aber noch lange nicht fertig. Wir sehen noch viel Potential die Abwicklung auf der Publisherseite abzubilden. Sprich: Ein Widget auf der eigenen Seite soll auch schon die Anmeldung und Bezahlung regeln.
Dann werden wir daran arbeiten, dass man Steady als eine Art Paywall einsetzen kann. Heißt, dass ab einem bestimmten Bereich nur noch Mitglieder lesen können.
Wir denken auch über Kombi-Abos nach. Zum Beispiel, dass man für 5 Euro nicht nur das eine, sondern mehrere verwandte Blogs und vielleicht noch einen Podcast unterstützt.
Wir haben also noch viel zu tun … aber das Grundprinzip funktioniert schon.
Vielleicht unterhalten wir uns dann in einem Jahr wieder. Ich danke Dir, Sebastian.
Mehr Details unter http://hilfe.steadyhq.com/
Danke, Stephan, für den interessanten Beitrag!
Für Dich doch immer, lieber Ecki.
Neulich noch drüber gesprochen und schon findet sich hier was zu. Super! :)
So sind wir :)
Klingt ein wenig wie Patreon. Oder täuscht das?