RLY – Fünf Thesen zum Spruchbild-Journalismus
0RLY-News ist die vielleicht erste Seite, die sich allein dem Spruchbild-Journalismus verschreibt – Journalistenschüler Sebastian Meineck beschreibt, warum seine DJS-Klasse das Projekt startete.
DDer Postillon macht es und die Tagesschau macht es, Bento macht es und der Deutschlandfunk macht es auch: Spruchbilder sind Mainstream. Als wir RLY-News gegründet haben, wollten wir aber noch einen drauf setzen.
Es war ein Sommer, der vom Brexit, Donald Trump und der AfD dominiert wurde, als wir in der Lehrredaktion der Deutschen Journalistenschule dachten: Kann da nicht einfach mal jemand laut „RLY?“ sagen? Das ist das Motto von RLY-News. Wir kitzeln das aus den News, was einfach nur RLY ist. Eine tägliche Dosis WTF. Dazu liefern wir Hintergründe durch verlinkte Artikel und Videos.
Mit RLY-News wollen wir Leute erreichen, die sich sonst eher durch lustige Sprücheseiten klicken. Seit Juli konnten wir über 3.700 Fans sammeln. Jetzt testen wir, ob die Reichweite auch Geld wert ist – und verbreiten ein eigenes Magazin mit RLY-Longreads per Crowdfunding.
Aber zurück zu RLY-News: Wir glauben, Spruchbilder können supernervig sein, aber auch Spaß machen. Fünf Thesen zum Spruchbild-Journalismus.
1. Die dümmsten Sprüche kriegen die meisten Likes.
Jeden Tag posten Sprücheklopfer dumme Sprüche auf hunderten Spruchbildseiten – und sind damit enorm erfolgreich. Die Sprüche verblüffen durch radikale Witzlosigkeit. 9.000 Leute mögen zum Beispiel das Instagram-Spruchbild: „Like das, wenn du jemanden liebst“. Schwer nachvollziehbare 6.000 Likes gab es für: „Ich habe gerade das Bedürfnis, zu weinen“.
Solche Bullshitsätze sollen einen einzigen Reflex auslösen: „Kenn ich!, Daumen hoch!“
Aber Spruchbild-Journalismus verlangt andere Reflexe. Journalistische Sprüche sollen nicht mechanisch durchgeliked werden, sondern zum Nachdenken anregen. Der gewünschte Reflex lautet: „RLY?“
2. Nachrichten sind RLY.
https://www.instagram.com/p/BN1Ssn9Dcmq/?taken-by=rlynews
Was in der Welt passiert, ist einfach irre. Trump behauptet, Hillary Clinton hättte den Islamischen Staat gegründet? Das Innenministerium nennt die Kritik an Erdogan ein „Büroversehen“? Bob Dylan bekommt den Literaturnobelpreis – und schweigt? Oft sind schon die Fakten Pointe genug. Das ist der Stoff, aus dem Spruchbild-Journalismus gemacht ist.
3. Spruchbilder sind ein eigenes Medium.
Niemand würde ernsthaft versuchen, bei einer Romanverfilmung die bedruckten Buchseiten abzufilmen. Das Medium Film hat eben seine eigenen Ausdrucksmittel. Ähnlich doof ist es, irgendeinen Text auf ein Spruchbild zu packen – nur weil Bilder häufiger in den Feeds auftauchen. Sogar eine gute Schlagzeile könnte für ein Spruchbild ungeeignet sein. Es geht beim journalistischen Spruchbild nicht um die wichtigsten Infos, sondern um das größte RLY auf kleinstem Raum. Sonst geht der Spruchbild-Journalismus im Feed unter, neben Sprüchen wie: „Like das, wenn du jemanden liebst“.
4. Fakten sind kein Wert für sich.
Der Feed von Facebook und Instagram trennt nicht zwischen Fakten und Fiktion. Der normale Nutzer macht das auch nicht. Wer durch seinen Feed scrollt, bleibt eben bei dem hängen, was er irgendwie interessant findet. In den ersten Wochen von RLY-News wollten einige Nutzer wissen, was „RLY“ von „Faktillon“ und „Faktastisch“ unterscheidet. Die Antwort: „Faktillon“ bringt Satire, unsere Meldungen sind wahr. „Faktastisch“ bringt random facts, unsere Meldungen sind aktuell und relevant. Die Reaktion:
¯\_(ツ)_/¯.
Für den Nutzer sind Fakten, Aktualität und Relevanz vielleicht ein nettes Feature. Aber wenn der Blick nicht kleben bleibt, hat der Spruchbild-Journalismus verloren.
5. Der Feed regiert.
Im Sommer hat Facebook seine Algorithmen verändert und damit die Reichweite von RLY-News halbiert. Einfach so. Schon immer haben geteilte Links bei RLY-News nur halb so viele Leute erreicht wie Spruchbilder. Und Spruchbilder erreichen nur halb so viele Leute wie Videos: Einfach so.
Facebook ist eine Infrastruktur mit gesetzten Regeln, und Seitenbetreiber müssen das hinnehmen. Mit anderen Regeln wären die Spruchbild-Seiten vielleicht gar nicht erst groß geworden. Auch den Spruchbild-Journalismus wird es nur so lange geben, wie Bilder in den Feeds bevorzugt werden. Das kann sich ändern. Vielleicht zerbrechen wir uns also in fünf Jahren den Kopf über ganz andere Dinge wie: Augmented Reality-Journalismus.
Hier gibt es RLY auf Facebook, Twitter und Instagram.
Mehr aus dem RLY-Magazin mit Geschichten über menschliche Pferde, flirtende Maschinen und todesmutige Selfie-Knipser gibt es hier.
Anmerkung und Update: Warum RLY den Namen geändert hat
RLY startete als HÄ, hat den Namen aber aus guten Gründen gewechselt – entsprechend haben wir den Artikel geändert. Hier Sebastians Erklärung:
„Als wir noch HÄ hießen, waren sich einige Nutzer nicht sicher, ob wir Satire machen – und wollten wissen, ob die Welt wirklich so irrsinnig ist. Das ist sie. Alle unsere News sind real. Deshalb haben wir uns RLY genannt. Außerdem kann man RLY nicht mehr mit dem HÄ-Magazin der Schweizer Rotpunkt-Apotheken verwechseln. Und: Ohne Umlaut im Namen findet man uns besser auf Facebook.“ (http://klartext-magazin.de/54B/crowdfunding)