Forderungen an Medienhäuser sind müßig, solange es dafür keine Finanzierung gibt
1Texte wie den obigen, lese ich derzeit häufiger. Journalismus muss sich auf Grundwerte besinnen. Klar! Besonders in Zeiten der Lügenpresse. Unterschreibe ich.
Alle die Texte schrammen aber stets am Grundproblem vorbei, das wir seit Jahren nicht lösen können: die Finanzierung. Guter Journalismus braucht ordentlich entlohnte Fachkräfte, die entsprechende Zeit zur Recherche haben. Zeit ist Geld.
Professor Frühbrodt sagt im Interview: “Die klassischen Medienhäuser sollten sich darauf besinnen, dass ihr Alleinstellungsmerkmal hochwertiger Journalismus ist.” Das wäre wunderbar!
Ich glaube, ich spreche hier für jeden Journalisten der Welt und zusätzlich noch für die “Pseudo-Journalisten”, wenn ich sage: alle fänden mehr Erfüllung darin, bewegende und tiefgehende Inhalte zu schaffen. In Bild, Ton oder Text.
Keiner hat doch wirklich Lust, den Clickbait-Drachen zu jagen.
Dagegen steht aber dieser simple Satz von Hubert Burda: “We cannot afford to lose money!” Das können sich mittlerweile nicht einmal mehr die öffentlich Rechtlichen leisten.
In Zeiten, in denen gerne viele die GEZ abschaffen wollen, in denen die Gehälter sinken, die Redaktionen schrumpfen, die freien Journalisten hauptsächlich frei von Aufträgen sind, kann man fordern was immer man will, es wird nichts weiter als ein frommer Wunschtraum bleiben.
So lange die Frage nach der Finanzierung des guten Journalismus nicht annähernd beantwortet ist, bietet das Content Marketing und Corporate Publishing ein erstrebenswertes Zubrot für Journalisten.
Professor Frühbrodt sagt weiterhin: “Weil sie sich auf fragwürdige Werbemethoden einlassen“ zerstören die Verlage Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit. Auch hier sei wieder gesagt: Das passiert, weil die klassischen Werbekonzepte nicht mehr funktionieren (siehe dazu Journalistenland ist abgebrannt: Warum Content Marketing für Journalisten Fluch und Segen ist).
Werbung hat Jahrzehnte lang relativ unabhängigen Journalismus ermöglicht. Jetzt merken Firmen, dass sie Werbung günstiger bekommen oder am Ende gar nicht mehr brauchen, um Botschaften zu verbreiten. Burda muss sich fast in diesem Segment aufstellen, es wäre fahrlässig, es nicht zu tun.
Dort liegt das Geld, das vorher noch hauptsächlich in Werbung gepumpt wurde. Dazu kommt die sinkende Akzeptanz von Onlinewerbung:
Habe bisher keinen Adblocker installiert. Nach #rpTEN Vortrag von @frank_rieger & Thorsten Schröder werde ich das ändern. #malwareverteiler
— Thomas Knuewer (@tknuewer) May 3, 2016
Solange also dieses Grundproblem nicht gelöst ist, sind für mich solche Texte nichts weiter als Nostalgie und das Verklären eines besseren Frühers.
Wir leben heute in dieser Zeit, in der Wandel sich knallhart vollzieht und auch nicht aufhören wird. Wir sollten darum nicht die verdammen, die auf der Suche nach einem besseren Leben ins Content Marketing fliehen.
Stephan bringt es (mal wieder) auf den Punkt. Spätestens wenn die Familie ernährt, die Miete (wahlweise Immo-Kreditrate) bezahlt und das Auto repariert werden muss, nützen einem die ganzen „müsste, hätte, sollte“-Verklärungen nichts. Ich wage mal zu behaupten, dass die meisten im Content Marketing und Corporate Publishing tätigen Journis dies nicht wollen, sondern müssen.