Jessica Wagener und Ulrike Klode: „Innovation hat auch immer etwas mit Disruption zu tun“
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Nennt sie Journalistinnen, Bloggerinnen, Autorinnen oder Social-Media-Expertinnen… Was Jessica Wagener und Ulrike Klode zum Thema „Zukunft des Journalismus“ zu sagen haben, ist jedenfalls so interessant, dass wir ausnahmsweise mal den Text einer PR-Agentur veröffentlichen.
Wie geht man in Redaktionen und guten Blogs damit um, wenn einem eine PR-Agentur einen ganz tollen, exklusiven Text mit nie dagewesenen Informationen anbietet? Ja, genau – in 99 Prozent aller Fälle heißt das Ergebnis „Ablage P“. In diesem Fall ist das anders. Denn ein Mitarbeiter der PR-Agentur Faktor 3 hat am Rande des diesjährigen VOCER Innovation Day im Spiegel-Haus Ulrike Klode und Jessica Wagener zum Thema „Innovation im Journalismus“ befragt und uns diesen Text zur Veröffentlichung angeboten.
Und da ich, Karsten, ein großer Fan der beiden Frauen bin und ihnen gerne auf Twitter folge, habe ich mich breit schlagen lassen – und freue mich jetzt sehr, dass die beiden hier zu Wort kommen.
Geld ist für die Veröffentlichung nicht geflossen. Man sollte vielleicht noch die Motivation der PR-Agentur Faktor 3 erklären: Sie arbeitet für nextMedia.Hamburg die Standortinitiative für die Digital- und Medienwirtschaft und hat das Interview im Rahmen dieses Engagements geführt.
Hier aber nun das Interview über die Eigenschaften guter Innovationen und was die Umsetzung von Innovationen hemmt.
„Für Innovationen brauchst du Rückgrat und die Fähigkeit, schräg zu denken.“
Frau Klode, Frau Wagener, im Journalismus wird das Label „Innovation“ derzeit oft für neue digitale wie physische Entwicklungen gebraucht. Was macht für Sie eine gute Innovation aus?
Wagener: Eine Innovation ist für mich dann gut, wenn sie etwas Neues probiert. Das kann auch bedeuten, dass sie bereits bestehende Ideen kombiniert und ein Level weiter dreht. Es muss nicht immer das Rad neu erfunden werden. Oft genügt es, kleine Rädchen neu zu justieren.
Als Produzent sollte man auf das eingehen, was der Nutzer damit machte.Klode: Und ein Produkt ist dann am besten, wenn es sich entwickeln kann, also Work in Progress ist. Als Produzent sollte man auf das eingehen, was der Nutzer damit macht und Feedback berücksichtigen. So kann man sein Produkt verbessern.Wagener: Work in Progress ist in Deutschland aber schwierig. Hier musst du fertige Sachen abliefern und der Weg dahin ist proprietär. Keiner darf wissen, an was man da bastelt. In den USA ist das weniger streng.
Klode: Hinzu kommt die Hierarchiehörigkeit: Als Vorgesetzter hast du ja immer noch einen Vorgesetzen, dem du gefallen und Erfolge liefern willst. Also probiert man nur Sachen, von denen man von vornherein weiß, dass sie funktionieren werden. Aber so entstehen keine Innovationen.
Wer hat es denn schwerer, Innovationen umzusetzen – der kleine Angestellte oder der Boss in der Chefetage?
Wagener: Beide haben es gleich schwer. Innovation hat auch immer etwas mit Disruption zu tun. Das heißt, du musst Dinge aufbrechen: Hierarchien, Arbeitsprozesse, Denkmuster und so weiter. Dazu brauchst du Rückgrat und die Fähigkeit, schräg zu denken. Und das ist echt schwer. Das ist unabhängig davon, ob man Vorstand ist oder nicht.
Klode: Aber das bedingt sich auch. Der Vorstand wird keine Innovationen kriegen, wenn er keine innovationsbereiten Mitarbeiter hat. Gleichzeitig bist du als Mitarbeiter auf verlorenem Posten, wenn der Vorstand kein Interesse hat, dass du innovativ arbeitest.
Gibt es eine Branche, die besonders innovativ ist?
Klode: Ich finde es schwer zu sagen, ob eine Branche besonders innovativ ist. Was man derzeit beobachten kann: Dass Innovationen oftmals von der Tech-Branche ausgehen und dann andere Märkte aufmischen. Airbnb, das vor allem zur Tech-Branche gehört, ist ein Disruptor in der Hotelbranche. Gleiches gilt für Uber in der Taxibranche. Viele der Innovationen, die wir derzeit erleben, laufen über Technologien.
Innovationen sind feine, granulare Schritte, die aufeinander aufbauen.Wagener: Aber Innovationen müssen gar nicht sofort den ganzen Markt umwerfen. Innovationen sind viel öfter feine, granulare Schritte, die aufeinander aufbauen. Und das kann in seiner Gesamtheit irgendwann den Markt auf den Kopf stellen – wie eben Airbnb oder Uber.Klode: Genau. Bei Innovationen steht das Problem oder eine Frage im Vordergrund. Etwa: Es gibt Leute, die eine Zeit lang nicht in ihrer Wohnung leben, weil sie im Urlaub sind. Da könnten sie die Wohnung eigentlich vermieten. Wie wär’s, wenn wir dafür ein Portal bauen? Und aus dieser Problemlösung ist dann die Disruption des Markes gekommen. Diese Denkweise sieht man – natürlich satirisch überspitzt – übrigens sehr gut in der Comedy-Serie „Silicon Valley“.
In der Medienbranche wird viel über neue Wege diskutiert, und doch scheinen viele Medienhäuser Probleme damit zu haben, sich für Innovationen zu öffnen. Was hemmt viele Redaktionen derzeit am meisten?
Wagener: Die Angst. Es gibt Angst in verschiedenen Variationen und Ebenen, etwa die Angst vor Veränderung oder vor dem Statusverlust. Das geht vom Mitarbeiter bis zum Vorstand.
Warum nicht als Journalist einfach mal auf einen Hackathon gehen, obwohl man keinerlei Ahnung vom Programmieren hat?Klode: Auch die Bereitschaft, sich auf neue Dinge einzulassen, fehlt oft. Warum nicht als Journalist einfach mal auf einen Hackathon gehen, obwohl man keinerlei Ahnung vom Programmieren hat? Natürlich kann es peinlich werden, aber hey – dafür kann man super viel Neues mitnehmen.Wagener: Das ist etwas, das ich bei einigen Journalisten nicht verstehe: Zum Beruf des Journalisten gehört Neugier. Warum probieren wir nicht auch für uns allein viel mehr aus?
Klode: Aber viele bekommen auch einfach nicht den Raum und die Zeit eingeräumt, um sich auszuprobieren. Und das beginnt beim schlichten Kopf-frei-bekommen und endet dann beim Hackathon.
Und was hilft?
Wagener: Da gibt es keine Universallösung, das hängt sehr von den Umständen am Arbeitsplatz ab. Um das Arbeitsumfeld für Innovationen zu öffnen, braucht es viel Energie. Und manchmal muss man einfach selbstständig Fakten schaffen, indem man ein kleines Projekt anstößt und damit überzeugt.
Was auch hilft: Sich Freimachen von der Vorstellung, das nächste große Ding erfinden zu müssen.Klode: Nehmen wir einmal das Beispiel der ineffizienten Kommunikation: Hier könnte man auf ein anderes Tool zurückgreifen, etwa Slack oder Skype. Also statt permanenter E-Mail-Kommunikation einfach einen Chat einführen.Wagener: Was auch hilft: Sich Freimachen von der Vorstellung, das nächste große Ding erfinden zu müssen. Niemand wird ad hoc die Lösung, das Geschäftsmodell oder die Zukunft des Journalismus entwerfen. Es gibt viele Wege, die zum Ziel führen – und vor allem viele kleinteilige Etappen.
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