10 Dinge, die du erfährst, wenn du auf Medien-Konferenzen gehst
6In diesem Fall die TransformingMedia, deren Schluss-Keynote-Speaker ich sein durfte. Eine Zusammenfassung meiner Live-Zusammenfassung in einem Listicle.
1. Wir sind die Zwischengeneration
Das Wort prägte Alexander von Streit, Chefredakteur der Krautreporter, in Nürnberg (auch wenn es natürlich schon länger durch die Szene geistert). Er meinte damit: Fast alle von uns sind noch mit den traditionellen Medien aufgewachsen, viele von uns lieben sie auch – aber immer mehr erkennen, dass die recht abschätzig so genannten Holzmedien (Tageszeitungen, Magazine) sich nach Jahrhunderten demnächst von der Papierform werden lösen müssen.
Also ist es an uns, herauszufinden, wie wir die digitale Transformation hinbekommen. Die nächste Generation darf dann die Früchte ernten – und hoffentlich ein paar „Early Adopter“ schon früher.
2. Verlage sind nur noch ein Player von vielen
Früher waren die großen Verlage zusammen mit den Radio- und TV-Sendern die einzigen Gatekeeper, die quasi gottgleich darüber entschieden, welche Informationen der Bürger zu Gesicht bekam – und auch über die Art und Interpretation wurde mit dem postulativen Chefredakteurs-Satz „Das will unser Leser so“ entschieden.
Heute sind die Verlage neben Bloggern, (crowdgefundeten) E-Magazinen wie SisterMAG und weiteren Digital-Native-Medien-Organisationen wie Buzzfeed nur noch ein Gatekeeper von vielen geworden – und wirken dabei oft recht hilflos. Tatsächlich machten in meinen Augen die wenigen Verlagsvertreter bei der TransformingMedia den verzweifeltsten Eindruck. Immerhin können sie sich noch Millioneninvestitionen in Druckmaschinen leisten und mit mehr oder weniger harten Paywalls experimentieren. Ich bin richtig gespannt, was passiert, wenn zum Beispiel die Rheinzeitung demnächst die harte Paywall auf „Bei uns gibt’s keinen einzigen Artikel für lau“ setzen wird.
3. Do it yourself or die trying
Mach’s doch einfach selbst. Noch so eine Aufforderung von Krautreporter von Streit. Und wenn Du es nicht schaffst, hast Du es wenigstens versucht. Man solle nur keine Angst vorm Scheitern haben.
Eine Aussage, die eine junge Journalistin im Gespräch mit mir heftig anzweifelte: Aber wir müssen doch unsere Miete zahlen, meinte sie. Ja, müssen wir. Und genau deshalb müssen wir uns auch weiterentwickeln und erkennen, dass in jedem Scheitern auch eine Chance liegt. Nach mehr als 20 Berufsjahren, die mich auch mal unverhofft aufs Arbeitsamt geführt haben, weiß ich: Scheitern tut weh. Aber wer sich davon nicht beirren lässt, findet schnell wieder eine neue Tür, durch die er hindurchgehen kann – und die ihm (oder ihr) ermöglicht, die Miete zu zahlen.
4. Man kann nicht alles kennen
Seit zwei Jahren beschäftige ich mich intensiv mit neuen Monetarisierungsformen für (Online-)Journalismus. Trotzdem kannte ich den Service Patreon nicht, der es André Voigt ermöglicht, seinen Basketball-Podcast Got Nexxt mit Abo-Spenden zu finanzieren. Eine coole Sache, die mir mal wieder gezeigt hat, dass da draußen in den Weiten des Internet jeden Tag neue Überraschungen auf mich warten. Und eben mal wieder, dass echte Fans bereit sind, für besondere Formate zu zahlen.
Ein Tipp an Konferenzveranstalter: André Voigt ist ein genialer Redner, es macht wirklich Spaß, ihm zuzuhören – und vor allem hat man ihn noch nicht auf jedem Podium gesehen.
Nachtrag vom 7.11.2014: Jannis Kucharz aka „Netzfeuilleton“ hat hier bereits ausführlich über Patreon geschrieben – und mich damit auch auf dieses sensationelle Firmenvideo aufmerksam gemacht:
5. Wer Inhalte verkaufen möchte, muss die Menschen begeistern
0815-Content bringt nichts. Content ist eh ein furchtbares Wort. Wir brauchen gute Inhalte, die unsere Leser/Zuschauer/Zuhörer fesseln und begeistern. Alle Teilnehmer der Konferenz, die es geschafft haben, nennenswerte Einnahmen mit ihrer Arbeit zu generieren, haben eine treue Leserschaft über Jahre hinweg begeistert. Diese Fans zahlen dann auch sehr gerne freiwillig. Und zwar meistens dann, wenn sie dafür einen zusätzlichen Mehrwert zum eigentlichen Gratis-Angebot erhalten (Freemium-Model).
Das können zusätzliche Funktionen, weitere Inhalte oder auch Tassen und T-Shirts sein.
Wie das funktionieren kann, zeigte sehr schön Timo Hetzel, der es mit seinem „digitalen Selbsthilfgruppe“, dem Podcast „Bits und so“, sogar schafft, begeisterte Fans aus dem ganzen Bundesgebiet zu einer Live-Aufführung seiner Show zu holen.
6. Wenn Bonbons nur Lousy Pennies bringen, mach ich eben was anderes
Die Macher der App „Blogbox“ sind zum heutigen Stand grandios gescheitert, ihr System bei dem Nutzer Bonbons im Wert von 6 Cent kaufen und dann an Blogger verteilen, hat sich nicht durchgesetzt und innerhalb eines Jahres nur den Gegenwert eines Abendessens (für eine Person in der Eck-Kneipe) generiert. Also haben die Entwickler ein neues Geschäftsmodell entwickelt und lassen Unternehmen für individuelle Apps und die darüber verbreiteten Inhalte der Blogger bezahlen.
Noch „fliegt“ das neue System nicht, aber die ersten Zahlen sind ermutigend. Also habe ich wieder einmal gelernt, dass man heute jederzeit bereit sein sollte, sein persönliches Geschäftsmodell zu prüfen und anzupassen, wenn es einfach nicht funktionieren möchte.
7. Entbündelt man eine Kartoffel, hat man leckere Pommes
Die Kartoffel war schönes Beispiel von Cosmin Ene von LaterPay, der uns damit den Einzelverkauf von Artikeln schmackhaft machen konnte. Eine Tatsache, die den neuen Gewohnheiten der Leser/Konsumenten entgegen kommt. „Die Leute wollen nicht mehr einen ganzen Sportsender bezahlen, nur um ein Spiel zu sehen“, berichtete Ulrike Langer, die aus Seattle über den Medienwandel bloggt.
Gleichzeitig sollten die Kunden gut behandelt werden. Erneut hatte Cosmin Ene ein schönes Bild: rohe Eier. Sie standen stellvertretend dafür, dass man als Medienmacher seine Leser/Kunden gut und mit Wertschätzung behandeln solle – sonst geht das Vertrauen kaputt wie ein rohes Ei, das auf den Boden knallt.
Übrigens: Wer die Zahlen von Richard Gutjahr zu seinen Artikel-Verkäufen per Laterpay belächelt haben mag, sollte mal das Gleiche tun, wie Cosmin Ene und die Verkäufe auf die Reichweite eines großen Online-Angebots wie der Süddeutschen Zeitung hochrechnen. Schon bei einer deutlich geringeren Conversionsrate wie die 13,1 Prozent von Richard, kann ein einzelner Artikel fünfstellige Einnahmen generieren. Oder auch nicht. Ausprobiert hat es ja noch keiner …
8. Den deutschen Alt-Medien geht es noch zu gut
Während die Zeitungen in den USA bereits pleite sind, kaufen die deutschen Kollegen noch neue Druckmaschinen. Schön, denn Print ist ja noch lange nicht tot. Doch damit fehlt, wie Ulrike Langer schön sagte, den deutschen Alt-Medien noch ein echter Leidensdruck, der wahre Innovationen hervorrufen könnte.
Auch wenn alle jammern, geht es uns also offensichtlich noch viel zu gut. Damit es uns aber nicht bald genauso geht wie den US-Zeitungen, sollte also jeder Verlag in neue Wege investieren, die sein Geschäft nicht heute aber morgen retten können.
Oder die Journalisten müssen eben ihr eigens Ding machen…
9. Ich möchte die Frage „Ist das noch Journalismus?“ nicht mehr hören
Ja, sie kam doch wieder auf – in Zusammenhang mit Buzzfeed und dem tollen Vortrag von Martin Giesler. Aber, genauso wie Stephan Goldmann es schon vor einiger Zeit beschrieben hat, kann ich die Frage ob das was wir da im Netz gerade sehen und erleben noch Journalismus ist, nicht mehr hören. Vielmehr sollte sich jeder Journalist und auch Verlagsmanager fragen, „Was kann ich von Buzzfeed & Co. für meine persönliche Art des Journalismus lernen?“ Denn es gibt nunmal nicht nur einen Journalismus, sondern Tausende von Ausprägungen mit unterschiedlichen Definitionen von Qualität.
10. Habt Spaß und probiert Euch aus!
Für mich die wichtigste Erkenntnis: Wer jetzt nichts macht, der erreicht … nichts. Wer sich aber eine Nische sucht, wie André Voigt und Timo Hetzel oder einfach mal groß denkt, wie die Krautreporter und die Macher/innen von SisterMAG und dabei mit Herzblut bei der Sache ist, kann gar nicht scheitern. Natürlich kann man ohne Print- und Verlags-Altlasten schneller und schlanker agieren. Aber das muss kein Grund sein, einfach nur zu jammern und der Branche bei ihrem angeblichen Untergang zuzusehen.
Solange uns der morsche Holzsteg noch trägt, sollten wir anfangen, Boote (oder Surfbretter) für das weite Meer des Internets zu bauen. Wenn uns das Wasser erst bis zum Hals oder gar höher steht, ist es in vielen Fällen einfach zu spät.
Meine Botschaft zum Abschluss der Konferenz: Egal ob Alt-Verlag oder Einzelkämpfer – jetzt ist die Zeit, etwas zu bewegen und nicht, um zu jammern.
Schlusswort von @LousyPennies zur #tm14: „Gehen Sie zuversichtlich in die Zukunft, probieren Sie sich aus – wir sehen uns im Internet!“
— Johanna Stiller (@johanna_stiller) 5. November 2014
Copyright aller Fotos: Stephan Goldmann
Und hier meine Abschluss-Keynote im Video (Nachtrag vom 7.11.2014)
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Wer mehr über André Voigt crowdfinanziertes Basketball-Magazin 3meter5 wissen will: http://www.fachjournalist.de/journalistische-start-ups-teil-2-wenn-leser-magazine-mitfinanzieren/
Danke, Katharina ;-)
Danke, für das umschiffen der 10 wichtigsten Anworten auf die 10 unwichtigsten Fragen. Mit Beckenbauers Worten: geds ause un spuids fuasboi!
Los, geht raus und macht Medien! ;-)
Richard Gutjahr und Karsten Lohmeyer waren auf der Deutschen Journalistenschule und haben dort gelernt, total entschlossen in die Zukunft zu gucken – schöne Zusammefassung, Danke!
War gar nicht gestellt… ;-)