Zwei Dutzend Paid-Content-Modelle aus den USA
1Gibt es überhaupt jemanden, der noch ein Panel zum Thema „Innovationen in Sachen Paid Content“ hören möchte? Vielleicht Menschen, die sich in den USA mit diesem Thema beschäftigen …
Dort zeigen viele Medientitel mehr Willen, neue Wege jenseits von plumpen Abo-Modellen und Anzeigen auszuprobieren. An New Yorks City University widmeten sich bei einem Branchentreff mehr als 150 Besucher dem Thema. Fünf Medienunternehmen stellten dabei ihre Ideen ausführlicher vor. Nur einige öffneten offenherzig die Bücher, aber am Ende der engagierten Debatte hatte das Panel mehr als zwei Dutzend Wege zum Geldverdienen online diskutiert. Christian Fahrenbach vermittelt einen Überblick.
Foreign Affairs: Die Noob-Profiteure
Foreign Affairs ist über 90 Jahre alt, ein ehrwürdiges Heft, das alle zwei Monate Analysen zu politischen Themen vorliegt und inhaltlich in Richtung Video, Infografiken und kurzen Web-Stories expandiert.
59 Prozent des Umsatzes stammen aus Abos und eReadernVerlegerin Lynda Hammes erzählte, dass derzeit 59 Prozent des Umsatzes aus Abos und eReadern stammt, 24 Prozent kommen aus Werbung, 13 Prozent werden am Kiosk verdient. Die Kioskverkäufe gehen zurück, weshalb die Marke mehr auf Events und internationalen Verkauf setze. Der Großteil der Neukunden stamme von der eigenen Webseite, erst dann folgen Mail-Marketing und Marketing in Suchmaschinen.Das Heft besitzt seit November 2013 eine „metered Paywall“, erklärte Hammes: Cookies sorgen dafür, dass der erste Artikel pro Monat grundsätzlich frei ist und Besucher nach einer Registrierung einen kostenlosen zweiten und dritten Artikel pro Monat lesen können. Dann folgt die Paywall, ein Digitalabo liegt derzeit bei 34,95 Dollar, genauso wie ein Print-Abo. Beide zusammen kosten 40,95 Dollar.
Ergebnis: Die Registrierungen nahmen stark zu, die Conversion hin zu zahlenden Besuchern nicht. „Wir brauchen besseres Customer Relationship Management“, zog Hammes drei Monate nach Einführung des Experiments Bilanz. Foreign Affairs wolle dem User deshalb künftig häufiger anzeigen, dass er ein e-Abo abschließen soll. Auch in Sachen Micropackaging wolle man aktiver werden. Das schlichte Löschen von Cookies, um an neue Gratis-Artikel heranzukommen sei bei der etwas schwächeren Technikaffinität des FA-Publikums kein großes Problem, sagte Hammes.
Info: www.foreignaffairs.com, @ForeignAffairs
Zola Books: Die Buch-Allrounder
am Ende ist jedes Buch ein soziales NetzwerkZola Books ist ein Unternehmen, das Dienstleistungen rund ums digitale Buch zusammenbringen will. „Am Ende ist jedes Buch ein soziales Netzwerk“, sagt Joe Regal, CEO und Gründer des Unternehmens. Seine Plattform ermöglicht direkte Kommentare in den E-Books (quasi eine um Profilbild und Diskussionsmöglichkeit erweiterte Funktion der Kindle-Unterstreichungen), aber auch Empfehlungen/Curation, digitales Rechtemanagement, e-Commerce und Metadaten-Management.Konkrete Zahlen nannte er nicht, dafür aber zumindest ein interessantes Detail: Die Antwort aus Zola Books Nutzerdaten auf die Frage, wie User mobil Bücher lesen, habe ihn überrascht: „Wir sehen mehr iPhone-Nutzung als alles andere. Mehr als iPad, mehr als Android.“
Info: zolabooks.com, @zolabooks
Tiny Pass: Die Paid-Content-Berater
„Tiny Pass stellt man sich am Besten wie ein E-Commerce-Unternehmen für Inhalte vor“, erklärte CEO Trevor Kaufman. Seine Firma berät bisher rund 200 digitale Verleger in Sachen Strategie, Services und Software, darunter so renommierte Marken wie der Economist oder Daily Beast. „Ich habe gesehen, was für eine miese Werbe-Maschine das Internet war“, sagt Kaufman zum Gründungsgedanken. Banner sind für ihn keine langfristige Lösung. „Die Dinge haben nur einen Wert, wenn sie selten sind – Banner sind ganz sicher nicht selten! Ein Durchschnittssurfer sieht 55 Banner pro Tag. Außerdem ist es verdammt schwer, eine Geschichte auf 40 Pixeln zu erzählen“, argumentierte er.
engagierte Kunden sind wie dafür gemacht, zu zahlenSeine Empfehlung war ein ganzer Katalog von Maßnahmen, abhängig von der Begeisterung der User für die Seite: „Hört nicht auf mit den Display-Anzeigen, aber macht mehr Geld mit den Leuten, die sich noch stärker mit Euch engagieren wollen.“ Ihnen solle man mehr als nur Anzeigen zumuten, sie sollen Dinge tun, die Geld bringen.Ideen dafür nannte Kaufmann viele, darunter in aufsteigender Reihenfolge nach persönlichem Involvement: Display-Anzeigen, Interstitials, Registrierungen/Persönliche Daten, Um Sharing in Sozialen Netzwerken bitten, Einmalkäufe, Abonnements, Großspenden.
Die Entwicklung entlang dieser Stufen führt für Tiny Pass über drei Angebote: „Content, Community, Capability“. Am ehesten lässt sich das vielleicht mit Inhalt, Gemeinschaft und Zugänge übersetzen. Leser engagieren sich auf den oben genannten Ebenen, wenn sie gute Inhalte bekommen (Geld lässt sich dann zum Beispiel mit Paywalls und Downloads verdienen), Zugang zu einer Community (mögliche Monetarisierung hier über Zugänge zu Leaderboards, Kommentarfunktionen oder Stimmungsbarometern) oder bei Zugängen zu bestimmten Funktionen (beispielsweise früherer Veröffentlichung als für Nicht-Abonnenten oder unterbrechungsfreie Anzeige von Videos).
Ein ganz ordentlicher Katalog also, aber Kaufman nannte auch Beispiele:
- Registrieren sie sich für ein Live-Q&A it Autor James Patterson
- „Lesen Sie _hier_ weiter. Für Ihren Artikel zahlt XYZ“
- „Finden Sie unsere Analysen nach der Anmeldung und zahlen Sie, was es Ihnen wert ist.“ (Dieses Beispiel verfolge unter anderem The Dish, sagte Kaufman. „Sie sagen: Zahlen Sie bitte 19,99 $, es wäre aber super, wenn sie 25 $ zahlen – Es ist ein Wunder, wie viele Menschen mehr zahlen.“)
- In-App-Registrierung beim Economist, Mitmachen bei einer Umfrage als Voraussetzung zum e-Book-Download.
Und noch eine weitere interessante Statistik hatte Kaufman zum Abschluss parat: „Bei ‚metered paywalls‘ mit limitierter Artikelanzahl pro Monat schließen 45 Prozent der User ein Abonnement ab, bevor sie das Artikellimit erreichen. Wirklich engagierte Kunden sind wie dafür gemacht, zu zahlen.“
Info: www.tinypass.com, @TinyPassContent
Business Insider Intelligence: Die Wirtschafts-Rechercheure
es mausert sich zu einem ziemlich soliden GeschäftsmodellDer Business Insider hat mit 45 Millionen Lesern pro Monat überrascht. Sandor Marik ist Senior Vice President Marketing bei „Business Insider Intelligence“, einem kostenpflichtigen Rechercheservice von BI, der auf drei Produkte setzt:- Newsletter und Newsinsights werden zu den Branchen Mobile, Social, Payments, Video und E-Commerce täglich herausgegeben.
- Detaillierte Reports wie „The Battle for Credit Card Processing“, die zweiwöchentlich ein Thema in der Tiefe behandeln
- Charts und Daten, die heruntergeladen werden können und dann vom Abonnenten in eigenen Programmen wie zum Beispiel Excel weiterverarbeitet werden können.
Das Angebot stehe bei mehr als 3.000 zahlenden Abonnenten, hat Marik erzählt. Einzellizenzen kosten derzeit 399 Dollar pro Jahr, Firmen bekommen Mehrfachlizenzen und Volumenrabatt. Bisher macht Business Insider Intelligence nur auf der eigenen Mutterseite Bannerwerbung für das Angebot, einige der Daten und Charts stammen aus Artikeln oder werden auf Events vorgestellt.
Marik ist deshalb mit dem Angebot zufrieden. „Es mausert sich zu einem ziemlich soliden Geschäftsmodell, obwohl wir noch nicht einmal mit externem Marketing begonnen haben.“
Info: intelligence.businessinsider.com
BKLNYR: Die netten Lokalen
BKLNYR, das steht für „Brooklyner“ und ist eine visuell sehr feine Journalismus-Webseite, die Langformgeschichten über Brooklyn veröffentlicht. Ziel war es, eine überlebensfähige Webseite mit tollen Fotos zu erstellen, die von ein paar Leuten unterhalten werden kann. Aktuell leben zwei Leute Vollzeit von der Seite, unterstützt von acht freien Redakteuren.
die Leute zahlen 25, 40, teilweise 50 DollarGründer Thomas Rhiel hat erzählt, dass sie am Anfang eine „Selfmade-Kickstarter-Kampagne“ gestartet hätten und Leute um ein Vorab-Abonnement gebeten haben. Die Regeln: Jede Ausgabe bestehe aus drei Geschichten, pro Monat gebe es zwei Ausgaben, eine Story pro Ausgabe sei frei. Danach hätte man gerne 20 Dollar pro Jahr, hieß es weiter. „Die Leute zahlen 25, 40, teilweise 50 Dollar“, sagte er und hielt ein wichtiges Fazit parat: „Die Leute sind nicht verzweifelt darauf aus, eine Paywall zu vermeiden. Wenn Du ihnen etwas anbietest, was für sie wichtig ist, dann wollen sie bezahlen.“Wie groß der Erfolg dieser Strategie ist, blieb nebulös. Der BKLYNR bekomme jeden Tag neue Abonnenten, eine genaue Zahl wollte Rhiel dann aber doch nicht sagen. Dafür gab er sich selbstkritisch zu neuen Projekten: „Wir wollen uns mehr auf die Community vor Ort konzentrieren, mit Events, Lesungen, einem Stand bei „Celebrate Brooklyn“. Ohnehin seien Abos nur ein Weg, um Geld zu verdienen. „Wir überlegen, was unseren Abonnenten noch Geld wert ist“, erzählte er. Gut gelaufen sei beispielsweise eine gedruckte Auflage eines Brooklyn-Stadtplans, in dem ganz datenjournalistisch das Baujahr jedes einzelnen Hauses farbig dargestellt wurde (hier zu sehen).
Info: bklynr.com
Über den Autor
Christian Fahrenbach (www.christianfahrenbach.de, @cfahrenbach) ist freier Journalist in New York und 2014 Fellow im Tow-Knight Entrepreneurial Journalism Programm (towknight.org) an der CUNY Graduate School for Journalism. In dem Programm starten die Teilnehmer in vier Monaten ihr eigenes Start-Up im Medienbereich. Neben dem journalistischen Schreiben (unter anderem mit Veröffentlichungen für dpa, brand eins, Spiegel Online, yaez, FROH!-Magazin) unterrichtete er an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation und promovierte zum Thema Reputationsmanagement von Unternehmen.
Spannende Sachen dabei, danke!