Kampf der Generationen: Sind junge Journalisten wirklich besser?
13Sind wir über 40-jährigen Journalisten wirklich nur noch Dinosaurier, die möglichst bald von der Generation Y hinweggefegt werden sollten? Nein, finde ich – und plädiere zum gegenseitigen Lernen.
Nach dem Aus der Abendzeitung ist sie wieder aufgeflammt, die Diskussion, ob die traditionellen Medien vielleicht deshalb sterben, weil die jungen Journalisten nicht am Hebel sitzen. Weil eben die Über-40-Jährigen in Verlag und Redaktion die Führungspositionen blockieren – und angeblich keine Ahnung davon haben, wie Journalismus heute funktionieren muss. Aber ist das wirklich so?
Ich sage ganz klar: „Nö!“ Denn Journalismus ist nach wie vor weitaus mehr, als nur moderne Technologie wie Content Management Systeme, Facebook und Twitter zu beherrschen. Um Qualitätsjournalismus zu bieten, braucht es in vielen Fällen auch ein bisschen Lebens- und Journalismus-Erfahrung. Und ein über die Jahre gefeiltes, journalistisches Gespür, das darüber hinausgeht, zu wissen, wie man möglichst viele „Likes“ und „Shares“ generiert.
Natürlich möchte ich keinem jungen Kollegen absprechen, dass er Qualität liefern kann. Aber ich frage zum Beispiel regelmäßig angehende Journalisten, mit denen ich durch meine Dozenten-Tätigkeit Kontakt habe, welche Stories sie denn unbedingt mal machen möchten. In gefühlt 95 Prozent aller Fälle sind das neben den üblichen Sozialreportagen nach dem Muster „Mit dem Penner unterwegs“ altbekannte Hüte, die jeder über 30 schon tausendfach gelesen, gehört und gesehen hat. Gähn!
So mancher junge Internet-Enthusiast kann durchaus noch etwas lernen von den Journalisten-Dinosauriern.Ich bin also felsenfest davon überzeugt, dass so mancher junger Nachwuchs-Journalist und Internet-Evangelist durchaus noch etwas lernen kann von den Journalisten-Dinosauriern. Denn die wissen, wie man mit dem Telefon recherchiert und müssen nicht für jedes Detail in der Wikipedia nachschlagen – und sind in der Lage, den wirklich neuen „Dreh“ auch bei alten Hüten zu finden. Sie sind echte Journalisten, die selbst ohne soziale Netzwerke bestens vernetzt sind und statt frei verfügbarer Twitter-News exklusive Infos erhalten. Storytelling haben wir übrigens auch schon vor 20 Jahren gemacht. Damals nannten wir es Reportage.
Mit 25 dachte ich auch, ich hätte den Journalismus erfunden.Mit großer Spannung, Begeisterung und Bewunderung lese ich aber dennoch die Blogs von jungen Journalisten wie Julian Heck, Tobias Gillen, Daniel Höly und Martin Giesler und versuche, von ihnen zu lernen. Wenn ich mir junge, zornige Journalisten wie Andreas Grieß ansehe und anhöre, erkenne ich mich auch ein bisschen selbst in ihnen und bringe ihnen vermutlich deshalb sehr große Sympathie entgegen. Mit 25 dachte ich auch, ich hätte den Journalismus erfunden – und habe mir mit meiner arroganten Attitüde sicher die eine oder andere Tür zugeschlagen, von der ich mir heute mit 41 wünschen würde, sie würde noch offen stehen.Natürlich waren wir Journalistenschüler und Volontäre alle damals der Meinung, dass wir unsere Tageszeitung, unser Magazin viel besser machen würden als das Establishment. Viele der damals jungen Kollegen sind inzwischen in den Redaktionshierarchien aufgestiegen, haben leitende Positionen. Aber haben sie deshalb den Journalismus revolutioniert? Hätte einer von uns die Abendzeitung gerettet, es besser gemacht als Arno Makowsky? Ich glaube nicht.
Wenn sich junge Kollegen echauffieren, dass sie keine Festanstellung finden, sage ich ganz einfach: „Heul doch!“Doch deshalb jetzt einfach so weiterzumachen, wie bisher, geht auch nicht. Denn die Rahmenbedingungen sind heute deutlich anders, als vor 15, 20 Jahren. Wir befinden uns inmitten eines epochalen Umwälzungsprozesses, der viele traditionelle Medienhäuser hinwegschwemmen wird, die keine Antwort auf das digitale Zeitalter und die mit ihm verbundene Erlöskrise finden.Dass dies gleichzeitig dazu, führt dass es zumindest in den Print-Redaktionen zu einer Verknappung von Arbeitsplätzen kommt, frustriert natürlich. Besonders, wenn man als gut ausgebildete junge Frau oder junger Mann selbst gerne einen Job im Journalismus hätte und nicht bis ans Lebensende bei Statista oder am Burgergrill arbeiten möchte. Aber den Traumjob zu finden, war noch nie leicht. Und wenn sich junge Kollegen, die sich bewusst im Angesicht der Krise für den nach wie vor wundervollen Beruf „Journalist“ entschieden haben, nun darüber echauffieren, dass sie keine Festanstellung finden, sage ich ganz einfach: „Heul doch!“
Wenn aber nun ein Kollege in meinem fortgeschrittenem Alter anfängt, über das böse Internet mit seiner angeblichen „Kostenloskultur“ und die gemeine Welt zu jammern, sage ich ihm ebenfalls: „Heul doch!“ Nein, nicht jeder über 40 muss jetzt anfangen zu programmieren oder zum Twitter-Gott aufsteigen. Aber er sollte bereit sein, den digitalen Medien mit offenem Geist entgegen zu treten. Ein tolles Beispiel dafür ist für mich Michael Spreng, ehemaliger Chefredakteur der Bild am Sonntag und längst im Rentenalter, dessen mit großer Lebens- und Journalistenerfahrung angereichertes Blog „Spengsatz“ ich mit großer Bewunderung lese und den ich hier für die W&V dazu interviewt habe. Doch leider verweigern sich viel zu viele Kollegen, die sogar noch deutlich jünger sind als Michael Spreng, den modernen Zeiten. Und das ist nicht nur schade sondern schlichtweg falsch, wie zumindest ich finde.
Ich glaube tatsächlich, dass wir alten Säcke sehr viel von der neuen Journalisten-Generation lernen können. Ich glaube tatsächlich, dass wir alten Säcke sehr viel von der neuen Journalisten-Generation lernen können und dass es gar keinen anderen Grund für einen Generationenkonflikt gibt, als unnötige Vorbehalte. Ich selbst war zum Beispiel gerade zu einem Treffen junger Datenjournalisten eingeladen, an dem ich liebend gerne teilgenommen hätte, um mir dort erklären zu lassen, was das überhaupt ist. Es tat mir in der Seele weh, dass ich verhindert war und dort nicht hospitieren konnte.
Und das ist es, worauf ich hinaus will: Es ist gerade angesichts des digitalen Tsunamis unglaublich wichtig für uns Ältere, den Menschen zuzuhören, die mit dem Internet groß geworden sind und von ihnen zu lernen, wie wir die modernen Technologien für unseren Journalismus nutzen können. Gleichzeitig sollte diese junge Generation aber auch aufnehmen, was wir ihnen mitgeben können und niemanden mit Verachtung strafen, der ein paar Schwierigkeiten damit hat, Twitter und Facebook als journalistische Werkzeuge zu akzeptieren.
Eine große Neugier, die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen und zum Experimentieren mit neuen Formen, ist das, was in meinen Augen einen guten Journalisten ausmacht.
Egal, wie alt er ist.
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Amen dazu!
Ich lerne gerne von einer erfahrenen Generation – ohne mich jedoch dadurch daran hindern zu lassen, auch eigene Dinge auszuprobieren. Durch die Erfahrung, die ich wiederum sammle, kann ich dann auch etwas Neues an andere weitergeben. Und so ist auch mein berufliches Leben ein reges Geben und Nehmen. :)
Ich lese diesen Blog hier eigentlich auch sehr gerne. Aber Karsten braucht ewig, um auf den Punkt zu kommen. Der Text hier erzählt mir doch nichts Neues. Das endlose Beschreiben von Befindlichkeiten macht müde. Kurz und prägnant schreiben – das galt damals, das gilt heute und wird wohl auch morgen noch gelten. Amen.
Dann werde ich mich beim nächsten Mal bemühen, mich kürzer zu fassen ;-) Versprochen!
[…] den Anschluss verloren, gehört nur noch den jungen digital natives die Zukunft? Karsten Lohmeyer streitet das vehement ab: “Natürlich möchte ich keinem jungen Kollegen absprechen, dass er Qualität liefern kann. […]
Was Karsten schreibt, das kann ich so unterschreiben. Aber in der Tat: Lange Rede, kurzer Sinn. Aber mal wieder ein netter Blogbeitrag und ein paar Klicks auf dem Konto ;-)
Und bitte auf Verallgemeinerungen wie „wir über 40 jährigen“ verzichten, es hat Sie keiner zum Sprecher gewählt und das biologische Alter sagt wenig über die Zukunftsfähigkeit aus. Altgediente können sich nunmal häufiger als Junge in der sozialen Hängematte (Kündigungsschutz, Bestandswahrung, Sozialpunkte) „ausruhen“ … Sie haben mehr zu verlieren (kurzfristig gedacht), wenn sich etwas ändert und vieles Neue geht ja auch wirklich schief. Jüngere mit entsprechend finanzieller Ausstattung scheinen ja auch gerne mal eine ruhigere Kugel zu schieben als die aufstiegsorientierten hungrigen aber mittellosen Gleichaltrigen oder Ältere, die sich auf einmal neu orientieren müssen (Verlagspleiten etc.)
Und lesen sie wirklich nur die Blogs von jungen männlichen Journalisten?
Ich lese ganz viele Blogs von ganz vielen interessanten Menschen, deren Geschlecht mir dabei völlig egal ist. ;-)
Gut gebrüllt, Löwe! ;) Ich sehe diese Ansätze in meinem konkreten Umfeld auch mit Freude. Dort gibt es tatsächlich den Willen bei einigen aus beiden Gruppen, voneinander zu lernen und zusammen das beste Ergebnis zu erzielen. Natürlich gibt es auch die Verweigerer und die arroganten Jüngelchen, von denen Du sprichst.
Allein, viele Journalisten wären für dieses voneinander Lernen und Neues ausprobieren zu haben, sehen sich jedoch angesichts der gefühlt immer größer werdenden Arbeitslast dazu nicht in der Lage. Und selbst ich, die ja eher zu den „jungen Digitalen“ gehört, habe ja auch von meinen älteren Kollegen gelernt: Qualitativ hochwertiger Journalismus braucht Zeit und Freiräume – da habe ich auch schon manches Mal die innovative digitale Umsetzung der Geschichten einfach nicht geschafft.
Fazit: Wer ein gutes Produkt haben will, der muss eben investieren. Wer als Medienhaus den Sprung in die neue digitale Welt schaffen will, muss dafür sogar noch mehr investieren. Denn ohne einen gewissen Schub – jetzt – werden es die meisten Medienhäuser eher nicht schaffen – außer man ist Springer (die Umwälzungen bei Springer zeugen übrigens von einer Konsequenz, die mich beeindruckt). Da müssen Ideen entwickelt, Partner gefunden, technische Grundlagen geschaffen und Fachpersonal eingestellt werden. Das weiß jeder, der schon mal nebenbei versucht hat, ein paar Zahlen gut auf einer Homepage zu visualisieren oder gar ein bisschen Datenjournalismus zu machen. Wenn die führenden Köpfe denken, man schickt dazu einfach ein paar Leute auf einen kleinen Workshop und dann läuft die Sache, gucken sie eben bald in die Röhre. Zurecht.
Ach ja, und dass die alten Geschäftsmodelle ausgedient haben, muss ich nicht extra erwähnen, oder?
Danke für diesen Zwischenruf. Wir leben in so flüchtigen Zeiten, dass man ruhig mal eine bekannte Erkenntnis auf sich wirken lassen kann. Generationenwechsel ist die Konstante des Wandels schlechthin. Die Jungbauern und -bäuerinnen wollen halt möglichst bald mehr zu sagen haben auf der Scholle.
Was läuft nun anders im digitalen Zeitalter? Unter anderem dass die älteren Medienmenschen nicht von der Feld-Arbeit lassen (können), dabei allerdings häufig altes Gerät verwenden. Wir sind, Babyboom bedingt, zudem auch noch verdammt viele. Und schließlich werden gerade die alten Erbhöfe abgeschafft. Ob sich das Ackern also künftig noch lohnen wird, ist höchst ungewiss.
Ich habe gar keinen Zweifel daran, dass Talente jeden Alters auch in Netz-Zeiten klasse Journalismus betreiben werden. Die Frage ist, ob sich die Gesellschaft Medienarbeiter noch finanzell leisten will und man das organisieren kann. Das Konfliktpotenzial der Generationen liegt im Verteilungskampf, nicht nur in der Haltung zum digitalen Wandel.
Finde die Alt/Jung-Diskussion ablenkend – gefragt sind doch eher Verständnis der digitalen Welt und ggf. auch unternehmerische Initiative, egal in welchem Alter. (Die hohe Anzahl von CDU-Supportern <30 J. unter meinen Facebook-Freunden letztes Jahr hat mich bspw. vor allem erschreckt. Und wer seit der Grundschule vor dem Computer sitzt, hat deshalb noch lange nicht Twitter-Nutzung, Werbenetzwerke und APIs verstanden)
Im angelsächsischen Raum werden fortlaufend neue Modelle erprobt, die den berühmten Qualitätsjournalismus neu denken: The Verge, Re/Code, Pando, zudem Analysten-Blogs wie Asymco, Ben Evans, Stratechery – und in Deutschland bleibt es bei Sprengsatz, Gutjahr, IntMag und dem Corporate-Blog CURVED? Ganz zu schweigen von Durchlauferhitzern wie Buzzfeed und Upworthy; so wenig die inhaltlich relevant sind, haben diese beiden doch gezeigt, wie gut sie das Digitale verstanden haben. In Deutschland hätten die Verlage möglicherweise die Kohle um so etwas zu stemmen, aber null Ideen; die Journalisten entwickeln zögerlich Konzepte, aber scheinen zu wenig mit Technologie und Business vertraut.
Die Abendzeitung hätte niemand gerettet – aber es hat auch niemand geschafft, dem Verlag klarzumachen, dass er statt Print ein weiteres Jahr massiv zu subventionieren mit demselben Geld 2-3 digitale Projekte mehr als gut hätte ausstatten können.
In meiner Lokalzeitung wird zunehmend mit jungen Leuten bis hin zu Schülerpraktikanten gearbeitet. Das geht sehr auf Kosten der Qualität, weil diesen Jugendlichen zum einen die Kenntnis der Zusammenhänge fehlt, zum anderen auch die Rechtschreibung zu wünschen übriglässt (und Korrektoren gibt’s ja auch keine mehr). Außerdem sollte es im Lokalteil einer Zeitung eigentlich nicht nur um Eröffnung neuer Clubs, sondern auch um soziale Themen usw. gehen. Habe von vielen in meinem Alter gehört, dass das, was sie interessiert, nicht mehr vorkommt bzw die Texte klingen, „als hätte sie ein Fünftklässler geschrieben“. Ergo wird das Blatt abbestellt „weil nichts mehr drinsteht“ – und die 60er Jahrgänge wären eigentlich sehr gerne weiter Kunden!! und hätten auch noch Geld, um die Anzeigenkunden zufriedenzustellen! So viel zum Thema kurz, prägnant, jugendlich. Kommt nicht bei jedem an. Krass, oder?