Segelreporter Carsten Kemmling: „Wir werden ein Club-Modell einführen“
3Unser Gastautor Dr. Torsten Meise hat für uns den Macher von SegelReporter.com interviewt – der jetzt auf ein völlig neues Monetarisierungs-Modell setzt.
Spätestens seit dem spektakulären America’s Cup in San Francisco dürfte SegelReporter.com auch dem letzten Wassersportinteressierten bekannt sein. Carsten Kemmling war als einer von drei deutschen Journalisten vor Ort und schrieb täglich ausführliche Analysen der Rennen, zum Teil auch für Spiegel Online. Die SegelReporter-Webseite selbst schaffte im Schatten des Großevents zuletzt über 150.000 verschiedene Besucher im Monat.
Trotzdem reichen die Einnahmen aus Werbung nur für das Nötigste. Deshalb heißt es bei SegelReporter.com jetzt: Leinen los für ein neues Geschäftsmodell.
„Internet bedeutet, erst Mal zu machen“
Herr Kemmling, Sie waren Chefreporter bei Deutschlands größtem Segler-Magazin, der „Yacht“. Wie kam es zur Gründung von SegelReporter.com?
Ich hatte 13 Jahre bei der „Yacht“ gearbeitet und stand so 2009, 2010 vor der Entscheidung, machst du das jetzt bis zur Rente weiter, oder gehst du nochmal ein Risiko ein. Ich wollte nicht nur Texte abliefern, sondern konstruktiver arbeiten, neue Medien entwickeln.
Ich hatte versucht, im Verlag ein eigenes Online-Konzept umzusetzen. Das hat nicht funktioniert.Ich hatte versucht, im Verlag ein eigenes Online-Konzept umzusetzen. Das hat nicht funktioniert. Aber so einen bezahlten Job gibt man als Familienvater auch nicht so einfach auf.Der Gedanke ist ein Jahr lang gereift, aber dann ging das eigentlich recht schnell. 2010, zum damaligen America’s Cup in Valencia, haben Andreas John und ich SegelReporter.com gestartet.
Wie war der Start für den Print-Journalisten Kemmling?
Der America’s Cup ist inhaltlich unsere Kernkompetenz. Das war ein logischer Startpunkt.Wir haben damals noch mit einer statischen Seite gearbeitet, die von einer befreundeten Internetagentur betreut wurde. Ich saß in Valencia und schickte meine Berichte vom America’s Cup per E-Mail dorthin, wo die Texte dann auf die Webseite gesetzt wurden. Der Grund war: Wir hatten eigentlich nichts vorzuweisen, wollten aber unbedingt von der Regatta berichten. Der America’s Cup ist inhaltlich unsere Kernkompetenz. Das war ein logischer Startpunkt.War das Konzept von Anfang an fest definiert?
Ich hatte mir eigentlich ein Blog vorgestellt, eher eine persönliche Seite. Es gibt noch Elemente daraus, wie den Knarrblog, wo ich über meine privaten Abenteuer auf dem Wasser erzähle, aber dann ist SegelReporter.com doch anders geworden.
Das kam durch meine Zusammenarbeit mit Businesscoach Andreas John, der dann auch mein Partner bei SegelReporter.com geworden ist. Andreas ist ein eingefleischter Segler, ich habe im Wettkampf auf dem Wasser schon oft gegen ihn verloren. Er hat gleich viel größer gedacht: Businessplan, Zielgruppenananalyse, Investorensuche. Da habe ich erst mal geschluckt.
Am Ende haben wir uns irgendwo in der Mitte getroffen, aber das fand ich schon sehr interessant, so eine ganz andere Herangehensweise zu erleben und mich damit auseinanderzusetzen. Außerdem haben wir dann festgestellt: Internet bedeutet eigentlich, erst Mal zu machen. Wir stellten dann den Businessplan hintenan und starteten einfach.
Segelreporter.com ist eine GmbH. Das spricht nicht für einen eher spontanen Anfang.
Wir arbeiteten anfangs auch noch nebenbei. Ich habe zum Beispiel noch Bücher übersetzt.Wir waren zunächst eine GbR, die GmbH haben wir erst Ende 2012 gegründet. Wir wollten wirklich ohne große Kosten anfangen, haben auch bis heute kein gemeinsames Büro. Wir wohnen zwar beide in Hamburg, aber jeweils am anderen Ende der Stadt. Unser Treffpunkt war anfangs immer eine Bäckerei auf halbem Weg. Wir arbeiteten anfangs auch noch nebenbei. Ich habe zum Beispiel noch Bücher übersetzt, Andreas Business Kunden beraten. Das geht jetzt kaum noch.Wie hat sich die Seite dann entwickelt? Das braucht ja auch eine Anlaufzeit.
Ich arbeite zwar auch bezahlt für Spiegel Online, meist tauschen wir aber unsere Inhalte gegen die Reichweite und die Links von dort.Unsere Reichweite hat sich über Social Media, vor allem Facebook, und auch durch die Kooperation mit Spiegel Online aufgebaut. Ich arbeite zwar auch bezahlt für Spiegel Online, meist tauschen wir aber unsere Inhalte gegen die Reichweite und die Links von dort. Wir sind aber auch bei Bootsmessen hingegangen und haben im Parkhaus Visitenkarten hinter die Scheibenwischer gesteckt.Der Segelreporter ist werbebasiert, rechnet sich das mittlerweile?
Wir arbeiten mit einem Werbevermarkter zusammen, aber wir sind sehr weit von dem entfernt, was wir da vor zwei Jahren mal besprochen haben. Wir liegen heute bei einem Fünftel dessen, was uns damals an Umsätzen prognostiziert wurde. Die Werbebanner vom Vermarkter bringen vielleicht 1000 Euro im Monat.
Der Werbemarkt hat sich in den letzten zwei Jahren einfach radikal zum Schlechteren verändert. Zusätzlich vermarkten wir eigene Werbeplätze, indem wir Unternehmen aus der Branche persönlich ansprechen. Das ist sehr mühsam, weil kleine oder mittelgroße Unternehmen oft nicht einmal einen Werbebanner haben, den wir einsetzen könnten. Die gestalten wir dann nebenbei noch mit.
Das hört sich nicht danach an, als ob zwei Leute davon leben könnten.
Mit Werbung allein funktioniert es nicht.Wir haben festgestellt, mit Werbung allein funktioniert es nicht. Unsere Einnahmen reichen derzeit für die Technik und zwei Pauschalen, die wir freien Mitarbeitern zahlen.Und wovon leben Sie?
Wir möchten, dass unsere Leser uns bezahlen.Wir haben mittlerweile Investoren gefunden, die uns unterstützen. Die halten uns gerade den Rücken frei. Außerdem gehen wir jetzt mit einem neuen Modell online. Wir möchten, dass unsere Leser uns bezahlen.Der Segelreporter bekommt eine Paywall?
Nein, das wird keine Bezahlschranke, sondern ein Club-Modell. Wir möchten die Seite nicht abschließen, sondern einen freiwilligen Beitrag der Community erhalten. Wir glauben, bei unseren Lesern ist durchaus die Bereitschaft da, unsere Seite unterstützen.
Wir haben auf SegelReporter.com in diesem Jahr bereits eine Aktion erfolgreich zu Ende gebracht. Wir haben für den Jugend America’s Cup 18.000 Euro gesammelt, damit dort ein deutsches Team in San Francisco an den Start gehen konnte. Das war eine riesen Nummer, da haben wir unsere Leser wirklich mobilisiert. Das hat uns Hoffnung gemacht und die Community gestärkt.
Der Leser soll Vorteile von der Mitgliedschaft haben.Deshalb glauben wir an die Idee eines Clubs. Wer dann Mitglied wird, bekommt keine störende Werbung mehr zu sehen oder erhält Prozente, wenn er bei bestimmten Herstellern oder Shops einkauft. Der Leser soll natürlich auch Vorteile von der Mitgliedschaft haben.Gibt es Vorbilder für dieses Modell?
Nein, eigentlich nicht. Wir sehen uns da als Vorreiter.
Und wenn der Club nicht funktioniert?
Uns weiterentwickeln und die Qualität verbessern können wir nur, wenn wir die Redaktion erweitern oder Geschichten freier Autoren bezahlen. Wir haben uns durch den America’s Cup bei den eindeutigen Besuchern verdreifacht. Das müssen wir nutzen, um unsere Vorstellungen zu realisieren. Die Kapazität, wirklich journalistisch zu arbeiten, also vor Ort zu sein und zu berichten, eigene Geschichten zu recherchieren und zu schreiben, ist bei uns ausgeschöpft.Uns weiterentwickeln und die Qualität verbessern können wir nur, wenn wir die Redaktion erweitern oder Geschichten freier Autoren bezahlen. Das müssen wir unserer Community vermitteln. Wenn das nicht funktioniert, werden wir nicht aufhören, aber dann wird es natürlich schwieriger.
Carsten Kemmling hat als Segler zwei Olympia-Kampagnen absolviert und ist mehrfacher Deutscher Meister im Match Race. Nach 13 Jahren beim Magazin Yacht hatte er sich 2010 mit SegelReporter.com selbständig gemacht.
Die Website berichtet von wichtigen Segelregatten und widmet sich auch dem Fahrtensegeln.
Unser Gastautor
Dr. Torsten Meise arbeitet seit über 30 Jahren als Journalist für Tageszeitungen, Magazine, Onlinemedien, Agenturen und Unternehmen. Er gehörte zu einer der ersten Crossmedia-Entwicklungsredaktionen in Deutschland und war Ressortleiter beim Internetmagazin Tomorrow.
Mit dem Reporterpool leitet er ein Full-Service-Redaktionsbüro und realisiert hier komplette Printmagazine und Onlineprojekte.
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[…] 1 dieses Projekt habe auf der neuen Medienseite meines Kollegen Karsten Lohmeyer veröffentlicht: LousyPennies.de. Weitere Texte werden folgen. Vielleicht rufe ich demnächst auch mal bei Dir an ;-) Stay […]
[…] Unser Thema bewegt viele Journalisten-Kollegen. Es ist zurzeit etwas schwer, mit dem Schreiben Geld zu verdienen. Deshalb gibt es eine Seite wie “Lousy Pennies” – passender Name – deren Autor während unserer Planungsphase ein Interview mit mir gemacht hat. Vielleicht interessiert es. […]