Anwalt Himmelsbach: Wie Journalisten mit Nutzer-Kommentaren umgehen sollten
1Schon zweimal (hier und hier) hat uns Medien-Anwalt Prof. Dr. Gero Himmelsbach nützliche Grundlagen aus der Welt des Medienrechts erzählt. Im dritten Teil unserer Interview-Serie beschäftigen wir uns mit einem für Blogger und Unternehmer-Journalisten besonders spannendem Thema: Kommentare. Denn die gibt es im Print-Business nicht. Im Internet sind sie integraler Bestandteil einer jeden Seite – und bergen nicht wenige Gefahren für bloggende Journalisten, wie wir nun hier erfahren:
„Wer einen Kommentar freischaltet, hat eine gewisse Verantwortung“
Stephan: Lieber Gero, Kommentare sind ein sehr spezielles Thema, das viele Journalisten im Web beschäftigt…
Gero Himmelsbach: Ich finde, Kommentare gehören unbedingt zu einem Blog oder Internet-Angebot dazu. Aus rechtlicher Sicht stellt sich die Frage: Ist der Kommentar eines Nutzers meiner Seite beleidigend oder anderweitig rechtlich relevant? Und: Inwieweit ist der Betreiber für die Kommentare verantwortlich?
Karsten: Inwieweit ist der Betreiber einer Seite denn für die Kommentare verantwortlich?
Wenn der Betreiber die Kommentare moderiert und erst nach einer Prüfung frei schaltet, ist klar, dass er hier eine gewisse Verantwortung hat. Das ist aber im Übrigen bei den Leserbriefen einer Tageszeitung nicht anders: Auch ein Leserbrief darf nicht beleidigend sein.
„Man ist verpflichtet, Kommentare zu beseitigen, wenn sie eine Rechtsverletzung beinhalten“
Karsten: Und wenn die Kommentare ohne Überprüfung automatisch veröffentlicht werden…
Dann ist der Betreiber nicht verpflichtet, sie sofort zu überprüfen. Man ist allerdings verpflichtet, Kommentare zu beseitigen, wenn sie eine Rechtsverletzung beinhalten. Das gilt insbesondere, wenn man darauf hingewiesen wird. Das ist die so genannte Störerhaftung. Als Betreiber des Blogs ist man in diesem Fall „Störer“.
Stephan: Ist es nicht Zensur, wenn ich einmal veröffentlichte Kommentare nachträglich lösche?
Nein, weder im rechtlichen Sinne, wo Zensur allein eine Vorzensur meint, noch anderweitig. Natürlich hat man als Betreiber und Verantwortlicher einer Seite das Recht und auch die Pflicht, auf seiner Seite für Ordnung zu sorgen. Da greift das „Hausrecht“.
Karsten: Nochmal nachgefragt: Du würdest also empfehlen, die Kommentare generell freizuschalten und nur ab und zu mal nachzusehen, ob alle ok sind?
Ich finde, die Kommentarfunktion gehört zum Blog dazu und damit auch die freie Meinungsäußerung von Nutzern des Blogs. Wenn man die Kommentare moderiert, also vor Freischaltung überprüft, dann muss man es mit viel Sachverstand tun. Denn dann ist das Risiko größer, für die Inhalte einstehen zu müssen.
„Der Blogger muss nicht um drei Uhr nachts aufstehen und die Kommentare checken, die um halb drei eingetragen wurden“
Stephan: Und wenn dann doch rechtlich relevante Kommentare auf meinem Blog stehen?
Ich muss natürlich schon regelmäßig die Kommentare auf solche Fälle überprüfen. Es gibt aber keine rechtliche Vorgabe, was regelmäßig heißt – der Blogger muss also nicht um drei Uhr nachts aufstehen und die Kommentare checken, die um halb drei eingetragen wurden. Aber wenn ich ein Thema einstelle, bei dem ich weiß, dass es zu kritischen Kommentaren kommen könnte, habe ich die Pflicht, aufzupassen, zu beobachten und einzugreifen, wenn Rechtsverstöße passieren.
Stephan: Wie hoch ist das Risiko, aufgrund von Kommentaren eine Abmahnung zu erhalten?
Das schätze ich als relativ gering ein. Natürlich habe ich als Seitenbetreiber eine Sorgfaltspflicht, aber dennoch bin ich für die Beiträge Dritter nur eingeschränkt haftbar. Der BGH hat da übrigens ein nettes „Pingpong-Spiel“ entwickelt …
Karsten: Was heißt das?
Der BGH hat sich überlegt, wie denn die Entscheidung ablaufen muss, ob der Webseitenbetreiber Nutzer generierte Inhalte löscht. Das geht so:
- Der Betroffene muss konkret mitteilen, welcher Inhalt seine Rechte verletzten soll.
- Kann der Blogger nicht ohne weiteres erkennen, ob die Beanstandung gerechtfertigt ist, muss er eine Stellungnahme des Nutzers einholen. Äußert sich der Nutzer nicht, muss der Blogger davon ausgehen, dass die Beanstandung berechtigt ist. Er muss den Eintrag löschen.
- Bestreitet der Nutzer die Beanstandung nachvollziehbar und ergeben sich daraus für den Blogger Zweifel, ist wieder der Betroffene an der Reihe: Der muss nun Nachweise bringen, dass der Eintrag seine Rechte verletzt.
- Bleibt dann der Betroffene eine Stellungnahme schuldig, muss der Blogger den Eintrag nicht entfernen. Ergibt sich aber aus der Stellungnahme des Betroffenen dann doch eine rechtswidrige Verletzung seines Persönlichkeitsrechts, muss der Blogger den Eintrag löschen.
Nächste Woche im vierten Teil unserer Interview-Serie mit Prof. Dr. Gero Himmelsbach: Warum sich jeder Unternehmer-Journalist mit dem Presserecht beschäftigten sollte.
ACHTUNG: Als besonderen Service für alle LousyPennies-Leser hat Prof.Dr. Gero Himmelsbach einen (kostenlosen) Musterbrief verfasst, mit dem Ihr auf eventuelle Abmahnungen reagieren könnt. Natürlich ohne Gewähr – und in der Hoffnung, dass Ihr ihn nie brauchen werden.
Über Gero Himmelsbach
Professor Dr. Gero Himmelsbach ist seit 1994 Rechtsanwalt und Mitarbeiter der Sozietät Romatka in München, seit 1998 Partner. Er ist Honorarprofessor für Medienrecht der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Autor des Praxis-Handbuches „Beck’sches Mandatshandbuch Wettbewerbsrecht“ und Mitherausgeber des Kommentars zum Bayerischen Mediengesetz. Daneben ist Gero Himmelsbach ständiger Mitarbeiter der Zeitschrift GRUR-Prax (Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht).
Gero Himmelsbach ist seit vielen Jahren in der Aus- und Fortbildung von Journalisten und Juristen tätig – etwa als Referent der Hanns-Seidel-Stiftung und der Bayerischen Akademie für Fernsehen oder als Dozent für Wettbewerbsrecht der BeckAkademie.
Gero Himmelsbach ist u.a. Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der Verlagsjustitiare, des PresseClub München e.V./International Press Club of Munich und war 1984 Mitgründer des Vereins „Nachwuchsjournalisten in Bayern (NJB) e.V.“, der junge Journalisten unterstützt.
[…] Denn als Blogbetreiber seid Ihr für die Inhalte verantwortlich – auch für die Kommentare. Ihr habt das Recht und die Pflicht, auf Eurem Blog für Ordnung zu sorgen. Wenn sich ein anderer Nutzer durch einen Kommentar beleidigt fühlt, kann er Euch dafür belangen. […]