Instant Articles für jeden: Der Todesstern öffnet seine Tore
6Am 12. April ändert sich die Medienwelt, wenn Facebook seine Instant Articles jedem zugänglich macht, der Inhalte im Netz veröffentlicht. Eine Riesenchance. Ein Gamechanger. Oder etwa nicht?
In den letzten Wochen sind sie immer häufiger in meinem mobilen Facebook-Stream aufgetaucht: Instant Articles, erkennbar an dem kleinen Blitzsymbol im Artikelbild. Und jedes Mal, wenn ich auf den Link klickte, war ich tief beeindruckt. Denn während man normalerweise am Smartphone Ewigkeiten warten muss, bis sich externe Links zu Medienseiten öffnen, bis sich alle Bilder, Skripte und wer weiß sonstnochwas geladen haben, sind Instant Articles einfach da. Blitzschnell. Wunderschön. Perfekt an den Bildschirm meines Smartphones angepasst.
So sieht er also aus, der Todesstern, den Facebook gerade baut – und dessen Tore sich ab dem 12. April mit den gerade angekündigten „Instant Articles für alle“ nun weit öffnen, für jeden, der den Mut hat, hindurch zu schreiten. Denn natürlich hat das verführerische Geschenk von Mark Zuckerberg, das Publishern sogar volle Hoheit über die Nutzerdaten und 100 Prozent der selbst vermarkteten Anzeigenerlöse verspricht, eine zweite, dunkle Seite. Sie ist für manchen Branchenexperten so dunkel, dass sie niemals das kostenlose Zimmer auf dem Todesstern beziehen würden und vielleicht das Bild vom Trojanischen Pferd besser passen würde, als der Todesstern.
Auf dem Todesstern herrscht Willkürherrschaft
Denn so ist es nun einmal: Der Todesstern verspricht Reichweite, Schnelligkeit und eine ständig aktuelle Technologie, für die man nicht einmal mehr eigene Server und Programmierer braucht. , die auf dem HTLM-5-Standard aufsetzte und so aus jedem Content-Management-System heraus aus fast jedem dort verfügbaren Beiträgen einen Instant Article machen kann.
Doch gleichzeitig begibt man sich in die Fänge des dunklen Imperiums von Mark Zuckerbergs, das ein „walled Garden“ ist und seine Millionen Nutzer am liebsten niemals mehr aus der Facebook-Welt entlassen möchte. Und natürlich auch jedem Medienhaus, das sich heute auf das verlockende Angebot einlässt, schon morgen neue Bedingungen diktieren kann.
Auf dem Todesstern herrscht also Willkürherrschaft. Die Reichweitenschleusen lassen sich durch kleinste Algorithmusänderungen ebenso schnell schließen wie öffnen.
Ein Paradies, das Geld für Journalisten freimacht
Allen Bedenken zum Trotz: Für jeden, der sich von der reinen Kosten- und Aufwandseite mit dem Betrieb einer hochperfomanten und aus Facebook-Sicht grottenlangsamen Webseite beschäftigt, mag sich das anhören, wie das Paradies. Und wenn man nicht mehr Unmengen von Geld in die Technologie stecken muss, dann bleiben vielleicht mehr Lousy Pennies übrig, um Journalisten einzustellen, die dann die Instant Articles produzieren können.
Also endlich wieder Zeit und Geld für guten Journalismus? Journalismus, der aufgrund der Reichweitenmechanismen und der schieren Zahl der Nutzer von Facebook auch in großer Menge rezeptiert wird? Die Rettung? Der heilige Gral? Die Lösung, die die Macht wieder in Balance bringt?
Nun ja, wie immer liegt die Wahrheit in der Mitte. Ich halte jeden der die Instant Articles kategorisch für sich und sein Medienhaus ablehnt, für einen ebenso weltfremden Spinner, wie jeden, der die Instant Articles als Rettung des Journalismus sieht. Natürlich, so meine Meinung, kann, darf und sollte jeder Medienmacher die Möglichkeiten der Instant Articles ausprobieren und sich an der neuen Form des Publishings in der Facebook-Welt probieren.
Wir leben in der Welt der Plattformen
Genauso wichtig ist es aber, zu begreifen, dass wir längst in der Welt der Plattformen leben. Eine Welt, in der es immer wichtiger wird, den User/Leser genau dort zu treffen, wo er sich gerade befindet. Ihn aus Snapchat, Instagram, Twitter oder eben auch Facebook auf die eigene Plattform zu locken, weil nur dort monetarisiert wird, wird immer unsinniger. Insbesondere, wenn die Nutzer lernen, dass der Unterschied zwischen dem Lesen eines Instant Articles und des gleichen Inhalts auf einer herkömmlichen Webseite mal eben zehn Sekunden (also eine Ewigkeit) betragen kann.
Trotzdem sollte man eines nicht vergessen: Die eigene Plattform (=Webseite) aufzugeben, ist ebenso Wahnsinn. Mag Facebook im Moment für die Ewigkeit gebaut erscheinen, so kann sich das schnell ändern. Ich sage nur Second Life. Oder MySpace. Oder Compuserve. Oder AOL. Und glücklicherweise gibt es auch Bestrebungen (zum Beispiel von Google), Webseiten außerhalb des Facebook-Todessterns schneller zu machen.
Die eigene Marke ist das, was zählt
Was ist und wird also wichtiger, als alles andere? Die eigene Marke. Ist die Marke stark, strahlt sie weit über die jeweilige Plattform hinweg. Dann wird es weiter heißen: „Das habe ich beim Spiegel gelesen. Die Info kommt von der Zeit.“ Und eben nicht: „Das habe ich auf Facebook gesehen.“
Ich jedenfalls freue mich auf die Instant Articles, die bereits bewiesen haben, dass sie eine Bereicherung für meinen persönlichen Nachrichtenkonsum darstellen.
Wer ist das, dein persönlicher Nachrichtenkonsument?
Das ist ein Kumpel von der automatischen Wortergänzung ;)
Danke, liebes iPad ;)
Interessanter Artikel mit zwei Fehlern:
1. „für die man nicht einmal mehr eigene Server und Programmierer braucht“
Facebook IA funktioniert ähnlich wie Google AMP und ist primär ein HTML5 Dokument, welches optimiert ist für die schnelle Darstellung auf mobilen Geräten und die Zwischenspeicherung bei Facebook für die schnelle Auslieferung auf den Client. Dieses HTML5 Dokument muss aber irgendwo erstellt und gespeichert werden, dafür bietet sich ein CMS an und dieses befindet sich bekanntlich auf einem Server. Solange Facebook also kein eigenes CMS mit fertigen Templates anbietet, hilft es weiterhin ein CMS zu betrieben und den Programmierer möglichst noch nicht auf die Strasse zu stellen.
Ein kurzer Blick über die Pressemitteilung hinweg hilft fürs Verständnis und beugt Verschwörungstheorien vor: https://developers.facebook.com/docs/instant-articles
2. „wallend Garden“
…sollte vermutlich ein „walled Garden“ sein.
Lieber Javier, vielen Dank für die wichtigen Hinweise, die ich gleich umsetze. Den „wallend Garden“ verdanke ich der Autokorrektur meines iPad, den anderen Fehler meiner Unwissenheit. Hab mich jetzt aber mal tiefer in die Dokumentation eingesehen ;-)
Ich glaube auch, dass die Lösung in der Mitte liegt und dass man vor allem ausprobieren sollte.
Eine Zeit lang wurde Twitter hochgelobt, jetzt Snapchat… Anstatt den ganzen Plattformen hinterherzulaufen, die sich schneller ändern als die Haarfarbe meiner Frau.
Also: Eigene Marke vorantreiben. Sehr gut gesagt.
LG, Walter