Heike Gallery: Hetze und Hass im Netz? Nein, danke!
1Wie können und müssen wir mit Hasskommentaren im Netz umgehen? Community-Expertin Heike Gallery von unserem Sponsor gutefrage.net meint: Kopf in den Sand stecken oder die Welt-Praktikanten-Strategie sind keine Lösungen. Stattdessen werde es Zeit für klare Regeln.
AAktuell vergeht kaum ein Tag im Netz, an dem nicht über das Ausmaß extremistischer, rassistischer oder beleidigender Userkommentare berichtet wird. Trauriger Höhepunkt derzeit: Die Darstellung von 200 „Hassfratzen“ bei einer deutschen Newssite*, die durch solche Aktionen genau diese Hasstiraden im Netz weiter verbreitet und zusätzlich verstärkt. Zusammenfassend stehen meist folgende Fragen im Mittelpunkt: Woher kommt diese Flut an Hasskommentaren? Sind die Stimmen repräsentativ für Deutschland? Wie können und müssen wir damit umgehen? Gute und auch wichtige Fragen! Es wird jedoch höchste Zeit, nicht nur Fragen zu stellen, sondern auch mögliche Lösungen aufzuzeigen. Und eine Lösung ist und bleibt die verantwortungsvolle Moderation.
Zeit für klare Regeln
User können sich an fast jedem Ort im Netz äußern – und das ist gut so. Es ist schlechthin einer der Grundpfeiler des Internets, dass Menschen in der Medienwelt nicht länger nur Empfänger sondern auch Sender sind. Dies hat jedoch unter anderem zur Folge, dass Hetze und fremdenfeindliche Parolen, die bisher eher im privaten Bereich oder an Stammtischen angesiedelt waren, einer breiten Masse zugänglich sind.
Sie erhalten damit auf extrem einfache Art und Weise eine Öffentlichkeit, Reichweite und Aufmerksamkeit, die ihnen so bisher nicht zuteil wurde. Und wir müssen uns die Frage stellen, ob wir bereit sind, ihnen diese Aufmerksamkeit zu geben.
Um es klar zu sagen: An dieser Stelle geht es nicht um Meinungen, die nicht dem Common Sense entsprechen! Es geht um Inhalte, die einer rechtlichen Grundlage entbehren, wie Beleidigungen und Schmähkritik, die sich hinter den meisten Hasstiraden verbirgt. Auch wenn „Kollektivbeleidigungen“ seit einem Beschluss dieses Jahres nur dann strafbar sind, wenn sie sich auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe beziehen, kann sich jeder Seitenbetreiber die Frage stellen, ob er solche Inhalte tatsächlich zulässt.
Basis: Rechtliche Grundlagen und Netiquette
Die Umsetzung der Gesetzgebung mag online nach wie vor nicht einfach sein, dennoch muss sie die Grundlage jeglicher Moderation im Netz sein. Sie stellt ganz klar die Rahmenbedingungen dar, welche Inhalte auf einer Seite verbreitet werden dürfen. Weichere Faktoren wie die Lesbarkeit eines Inhalts, Groß- und Kleinschreibung, Tonalität etc. können zusätzlich in der Netiquette festgelegt werden. Genau hierin liegt die Verantwortung, der sich Plattformbetreiber stellen müssen.
Warum fällt vielen das konsequente Löschen solcher Inhalte schwer?Was für eigene Inhalte in der Regel selbstverständlich ist, scheint bei vielen Sites nicht auf Userkommentare zuzutreffen – im Gegenteil. Hetze, Hasstiraden und Beleidigungen werden nicht gelöscht, sondern zudem auf anderen Kanälen, wie Twitter oder Facebook verbreitet.* Auf gutefrage.net ist dieses Vorführen von Usern beispielsweise ausgeschlossen und das konsequente Löschen nach Kenntnisnahme rechtswidriger Inhalte eine absolute Selbstverständlichkeit. Doch warum fällt vielen das konsequente Löschen solcher Inhalte schwer?Plattformbetreiber tragen Verantwortung
Der Plattformbetreiber hat ganz klar das Hausrecht und legt die Regeln fest, welche Kommentare live gehen.Kaum, dass ein Beitrag gelöscht wird, sind die Stimmen nach dem Recht auf Meinungsfreiheit zu hören und schnell steht der Vorwurf der Zensur im Raum. Dies führt zu Verunsicherung, schließlich möchte man seine Leser nicht verlieren. Fakt ist jedoch: Der Plattformbetreiber hat ganz klar das Hausrecht und legt die Regeln fest, welche Kommentare live gehen, oder wie lange sie (ob mit oder ohne Meldung) online stehen. Wenn dieses Löschen von allen konsequent umgesetzt würde, gäbe es einen Großteil an Hasskommentaren nicht.Problematik in Social Networks
Schwieriger ist es bei Plattformen, auf denen User ihre eigene Site einstellen und damit die vordergründige Hoheit über die Inhalte auf ihrer Site haben, beispielsweise Facebook. Eine Plattform, deren Ziel es ist, „den Menschen das Teilen von Inhalten zu ermöglichen und die Welt zu vernetzen“.
Doch gerade Facebook ist aktuell Vorreiter darin, genau diese Verantwortung einer fundierten Moderation nicht wahrzunehmen.
Viel zu zahlreich sind mittlerweile die Vorfälle, in denen ganz klar extremistische, beleidigende oder rassistische Inhalte trotz Meldung stehen bleiben, da sie nicht gegen die Gemeinschaftsstandards“ von Facebook verstoßen. Beispiele hierzu lassen sich einfach ergoogeln.*
Die Besonderheit der „Aber-Nazis“
Diffiziler gestaltet sich die Moderation der sogenannten „Aber-Nazis“, die Sascha Lobo sehr treffend beschrieben hat. Hier werden mittels mehr oder weniger geschickten Formulierungen Inhalte transportiert, die unterschiedlich auslegbar sind und nicht immer den Vorstellungen der Seitenbetreiber entsprechen. Diese gilt es auszuhalten und nicht zu löschen. Gerade an dieser Stelle muss der Austausch stattfinden, müssen Argumente auf den Tisch gebracht werden, die solche Aussagen klar wiederlegen. Hier liegt es an jedem Einzelnen, sich dem entgegenzustellen.
Der Ruf nach Klarnamen
Ein weiterer Diskussionspunkt ist das Argument, dass die vermeintliche Anonymität Auslöser der Hasstiraden sei. Doch wer sich die Vielzahl der Beiträge anschaut, wird schnell sehen, dass auch jetzt schon unter Klarnamen die gleichen Beiträge gepostet werden. Der Ruf nach Klarnamen macht schlicht keinen Sinn – wie soll dieser auch kontrolliert werden? Per Postident? Nein, das kann keine Lösung sein. Die Lösung ist einfach und liegt auf der Hand: Eine verantwortungsvolle Moderation!
Wir benötigen eine verantwortungsvolle Moderation
Der konstruktive Austausch und der Diskurs sind wichtiger denn je!Moderation heißt nicht, alles zu löschen was nicht Common Sense ist. Ganz im Gegenteil: Der konstruktive Austausch und der Diskurs sind wichtiger denn je! Moderieren heißt jedoch die Basis zu schaffen, auf der Diskussionen und Austausch stattfinden können – ohne Hetze oder Beleidigungen, egal von welcher Seite. Und wenn User nicht in der Lage sind, dies zu akzeptieren, ist es keine Zensur diese Beiträge zu löschen, sondern eine verdammte Pflicht!Was spricht dagegen?
Wie so oft sind die anfallenden Kosten der Knackpunkt. Moderation gibt es nicht umsonst und wer an die Selbstregulation unter Usern glaubt, dem ist nicht wirklich zu helfen. Wie sollen ein oder zwei Moderatoren der Schar von Userkommentaren 24 Stunden die Woche an sieben Tagen gerecht werden? Das ist schlicht unmöglich! Billiger ist es, Userkommentare zurückzudrängen oder gar nicht mehr zuzulassen.
Wenn die Moderatoren kapitulieren, dann werden alle User bestraft.Dies hat jedoch zur Folge, dass alle User gleichermaßen bestraft werden. Denn der Vielzahl von grenzwertigen Beiträgen steht eine Vielzahl an wunderbaren und inhaltlich hervorragenden Kommentaren gegenüber! Nur das Augenmerk liegt nicht auf ihnen. Sie werden weder gestärkt, noch und in den Vordergrund gestellt. Doch genau hierin liegt die Kunst der Moderation.Ein Hoch auf Userkommentare!
Ich gestehe: Ich lese viele Userkommentare und ich lese sie gerne! Ja, ich bin sogar enttäuscht wenn unter einem Beitrag keine Kommentare vorhanden sind. Es scheint, als würde der Beitrag im luftleeren Raum stehen und man hätte ihn sich auch sparen können. Userkommentare geben mir weitere Sichtweisen auf den Inhalt. Sie gehen auf einzelne Passagen ein oder stellen einen weiteren Gesamtkontext her. Kurz: Sie sind meinungsbildend und bereichern eine Site in jeglicher Hinsicht. Ein Diskurs, der uns weiterbringen wird und den ich auf keinen Fall missen möchte!
Doch dabei sind wir alle gefordert: Verstöße gehören gemeldet, gelöscht, eventuell editiert. Sie gehören nicht verbreitet! Kritischen Inhalten gilt es mit guten Argumenten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das zeigt unter anderem die jahrelange Erfahrung von gutefrage.net im Umgang mit sehr großen User- und Beitragszahlen. Aufgrund einer verantwortungsvollen, aber auch strikten Moderation ist es gutefrage.net gelungen, zu keinem Brennpunkt von Hass und Hetze zu werden.
*Anmerkung: In diesem Beitrag wird bewusst auf Zitate, Screenshots und Links verzichtet, um den Hasstiraden keine weitere Bühne zu bieten.
Offenlegung
Autorin Heike Gallery ist Director Digital Consulting bei unserem Hauptsponsor gutefrage.net. Dass gutefrage.net regelmäßig Gastbeiträge bei LousyPennies.de veröffentlichen darf, ist in unserem Sponsoren-Vertrag festgehalten. Ebenso, dass wir Artikel ablehnen können, wenn sie uns zu werblich sind. Alle Hintergründe zu unserem Sponsoring findet Ihr hier.
Eine Lösung im Social Media Bereich ist wohl ungleich schwieriger zu finden als im Bereich redaktioneller Anbieter. Diese sollten sehr wohl konsequent ihr Hausrecht nutzen und nach eigenem Ermessen Standards umsetzen. Bei Facebook & Co sind deren User die Setzer der Themen und somit möglicher Reaktionen, Die Internet Gesellschaft muss und wird lernen müssen, diese Spannungsfelder auszuhalten. Wichtig ist nur, dass die ganzen Foren nicht zum rechtsfreien Raum werden und hin und wieder durch markante Urteile Grenzen gesetzt werden. Das geschieht zu selten. Ich denke mit Grauen an die Beiträge eines Jan van Leyk in der Edathy Affäre oder auch an die Seite eines Elmar Hörig, der mit Methode Fans generiert, in dem er wohl wissentlich grenzwertig an die Problemthemen herangeht. Hier nutzen selbst Sperren nichts, diese werden mittlerweile fangewinnend eingesetzt. Der Provokateur als Opfer. Positiv zu bewerten ist, dass die User mittlerweile die Dinge selbst in die Hand nehmen und selbst mit Kommentaren dagegen halten. Das macht Mut. Den Redaktionen der Online Medien hingegen kann ich mittlerweile nur noch raten, gestaltet die Kommentarfunktionen so kompliziert als möglich und versteckt sie besser, denn Hater sind schlichte Geister mögens nicht kompliziert. Im übrigen, Ihr Artikel ist sehr gut und bringt vieles auf den Punkt.