Content Marketing: Journalismus aus der Hölle?
30Für Sascha Pallenberg ist Curved.de ein rotes Tuch. Aber zeigt das Newsportal von E-Plus nicht auch faszinierende Chancen für neue Medien außerhalb der Verlage auf?
Im Spätsommer 2014 habe ich mich entschieden: Ich mache Content Marketing. Übersetzt: Ich stelle meine journalistischen Fähigkeiten in den Dienst von Unternehmen, die selbst zu Medienmarken werden wollen – als Editorial Director (Chefredakteur) von The Digitale, der Content-Marketing-Tochter von Deutschlands reichweitenstärkstem Nachrichtenportal T-Online. Und zwar nicht nur der Lousy Pennies wegen, die mir die Telekom zahlt, sondern weil ich richtig große Lust darauf habe, dieses weitgehend unentdeckte Land zu erkunden und mir das Unternehmen alle Freiheiten lässt, weiterhin als „selbstbestimmter Publizist“ zu bloggen.
Soviel vorneweg, damit klar ist, dass ich in dieser Diskussion nicht neutral sein kann und will. Sie entzündet sich gerade an einem Streitgespräch zwischen dem von mir sehr bewunderten Techblogger Sascha Pallenberg und Matthias Schrader auf der Konferenz „Rock the Blog“, das ich nach dem Ausfall von Richard Gutjahr kurzfristig moderieren durfte. Es ging um das von Matthias Schraders Agentur Sinnerschrader im Auftrag von E-Plus produzierte Web-Magazin Curved.de.
Für Sascha Pallenberg ist Curved.de offensichtlich Journalismus aus der Hölle.Für mich ist Curved.de ein tolles Beispiel dafür, dass es tatsächlich gelingen kann, für ein Unternehmen eine neue Medienmarke im Netz aufzubauen. Für Sascha Pallenberg ist das offensichtlich Journalismus aus der Hölle.Dabei lässt sich der Streit zwischen Schrader und Pallenberg auf einen einzigen Punkt zusammendestillieren: die Transparenz. Pallenberg wirft Curved vor, gezielt zu verschleiern, dass es von E-Plus finanziert wird – und so ahnungslose Leser zum Kauf von E-Plus-Produkten zu bringen. „Curved ist kein Blog“, sagt Sascha. „Curved ist ein Shop.“
Ist die Marke als Absender erkennbar, sinkt die Glaubwürdigkeit.Auch Schrader gibt in der Diskussion zu: Würde E-Plus groß als Eigentümer/Absender des Portals erkenntlich sein, würde die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz bei der Leserschaft sofort sinken. Das sei bei allen Marken so.Diese Aussage, eine perfekte Vorlage für Sascha, bringt mich in ein Dilemma: Denn ich glaube sehr an Transparenz und Offenlegung aller möglichen Interessenkonflikte, so wie wir es zum Beispiel bei unserem Sponsoring tun. Ich glaube aber auch fest daran, dass die Zeit vorbei ist, in der allein die Verlage die Informations- und Meinungshoheit hatten – und das jeder im Netz zum Publizisten werden kann. Und dazu gehören eben auch Marken.
Sascha Pallenberg kritisiert die eigenen Sponsoren auch mal heftig.Dass es dabei zu Interessenskonflikten kommen kann, liegt in der Natur der Sache. Der selbstbestimmte Publizist Sascha wirft Curved also vor, nicht oder zumindest nicht negativ über den eigenen Brötchengeber E-Plus zu berichten. Er selbst würde es seinen eigenen Sponsoren sofort um die Ohren hauen, wenn sie mal ein schlechtes Produkt präsentieren würden, meinte Sascha.
Aber genau hier muss ich Sascha widersprechen. Dass ein Medium kritisch über den eigenen Brötchengeber/Verlag berichtet, habe ich in mehr als 20 Jahren als Journalist nur ganz, ganz selten erlebt. Tatsächlich fällt mir bis auf die Berichterstattung der New York Times über ihren Chefredakteurswechsel kein aktuelles Thema ein.
Viele Medien keilen zwar nach außen, sind aber was interne Vorgänge angeht, verschlossen, wie eine Auster.Im Gegenteil. Viele Medien keilen zwar nach außen, sind aber was interne Vorgänge angeht, verschlossen, wie eine Auster. Meinen Glauben an die redaktionelle Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit habe ich spätestens in der Diskussion um das Leistungsschutzrecht verloren.Ich kenne außer vielleicht Christoph Keese keinen einzigen Kollegen, der das unsägliche LSR wirklich gut findet oder es jemals gut gefunden hat. Das öffentlich zu sagen oder zu schreiben, haben sich im Vorfeld der Bundestagsentscheidung allerdings nur ganz wenige Redaktionen getraut. Weil es eben gegen die Interessen ihrer Brötchengeber ging. Der Kampf wurde in den Blogs und sozialen Medien ausgetragen. Ein Offenbarungseid für den deutschen Journalismus, wie ich finde.
Gleichzeitig muss man nur fleißig Bildblog, Topfvollgold oder die Rügen des Presse- und Werberats lesen, um zu erfahren, dass werbliche Inhalte viel zu oft in angeblich unabhängigen Redaktionstexten landen.
Übrigens glaube (ich weiß es nicht, da ich die Bunte nicht lese) ich auch nicht, dass die Bunte in ihren vielen unzähligen Artikeln über Maria Furtwängler auch nur ein einziges Mal schlecht über die Tatort-Kommissarin geschrieben hat. Mit wem ist sie eigentlich verheiratet? Und in welchem Verlag erscheint das Blatt nochmal?
Tatsächlich gefiel mir eine Aussage von Matthias Schrader sehr, auch wen sie etwas in seinem Marketing-Sprech unterging: Indem Unternehmen, die selbst mit extrem teuren Webseiten kaum Reichweiten im Netz erzielen, mit einem eigenen Medium „natürliche“ Reichweite aufbauen, sind sie nicht mehr gezwungen, ihre Anzeigenbudgets ins Silicon Valley zu tragen. Statt Hunderttausende von Euros in Google-Anzeigen und zunehmend nutzlos werdende Banner zu stecken, stecken sie das Geld lieber in was eigenes. Und schaffen so (ein Argument von Matthias Schrader) Arbeitsplätze für Redakteure, die bei den Verlagen anscheinend nicht mehr gebraucht werden und in teils absolut entwürdigender Form „entsorgt“ werden.
Für mich als (ehemaliger?) Journalist, der jahrelang fest an das Verlagssystem in Deutschland geglaubt hat, darüber hinaus ein entscheidender Punkt: Wirklich unabhängigen Journalismus gibt es in Deutschland meiner persönlichen Einschätzung nach bei maximal einem Dutzend Medien. Und eben auch bei sehr, sehr wenigen reichweitenstarken Blogs wie Mobilegeeks von Sascha, die nicht von übergeordneten Interessen beherrscht werden. Auch wenn sie natürlich auch ihr Geld verdienen müssen und diese Unabhängigkeit sehr von der persönlichen Integrität der Macher abhängt.
Ich bin jedenfalls absolut davon überzeugt, dass wir künftig noch viele weitere Portale nach dem Vorbild von Curved.de in Deutschland sehen werden – und werde sicher auch meinen Teil dazu beitragen. Gut gemachtes Content Marketing ist für mich eben kein Journalismus aus der Hölle. Den Punkt der Transparenz schreibe ich mir dabei aber dick auf die Fahne, lieber Sascha.
Und hier unser Talk im Video:
Bezahlung durch Anerkennung und Teilen
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Hi Karsten, diese Sicht kann ich sowas von unterschreiben. Vielleicht lässt sie sich auch noch vereinfachen (das ist allerdings purstes Content Marketing – ohne journalistische Attitüden oder Plattitüden): Es kann nicht Aufgabe eines Mediums sein, selbstreferentiell sich zu ‚überwachen‘ (hinterfragen ist was anderes) – schon gar nicht, wenn es um Marken-Blogs geht. Für meinen Geschmack sind es etablierte und gut funktionierende marktwirtschaftliche Mechanismen, die diese Aufgabe übernehmen.
Um Dein obiges Beispiel LSR aufzugreifen – es zeigt doch genau dies: Die Altpapier-Medien haben nicht kritisch soz. über sich selbst berichtet, die kontrollierende Funktion lag bei anderen, in diesem Fall wurde sie übernommen von bloggenden Medien. Klappt doch wunderbar. Internet sei dank.
Übrigens: ich konnte dem LSR sehr wohl etwas Gutes abgewinnen! Die Ausführung war katastrophal, für meinen Geschmack wäre es sinnvoller gewesen und in der Öffentlichkeit erheblich besser angekommen, hätten sich Springer und Co. explizit aufs Urheberrecht bezogen und dadurch die Interessen ihrer Mitarbeiter/innen direkt vertreten. Der übergeordnete (gescheiterte) Versuch allerdings, die Marktmacht der Suchmaschine zumindest anzukratzen, der war richtig. (Bei Monopolen versagen übrigens die sich gegenseitig überwachenden Mechanismen. Ist ja klar.)
In diesem Zusammenhang: Das Content Marketing irrt sich, wenn es glaubt, unabhängig vom Sillicon Valley zu sein bzw. auf Adwords und Co. verzichten zu können: http://lautzeichen.de/doorway-day-googles-angriff-aufs-content-marketing/
Lieber Ralf,
herzlichen Dank für Deine Ausführungen und den spannenden Link. Natürlich kann und darf man sich vorstellen, dass Google dem Treiben seiner wichtigsten Werbekunden nicht tatenlos zusieht. Aber lass es mich so sagen: Für eine Marke dürfte es immer spannend sein, für vergleichsweise wenig Geld eine eigene Reichweite aufzubauen – und damit übrigens auch unabhängihger von den klassischen Medienmarken zu werden. Das es weiterhin „klassische“ Kanäle wie bezahlte Werbung und Pr geben wird, scheint für mich zum jetzigen Zeitpunkt aber klar.
@Karsten: Google hat Curved schon mal einen vor den Bug gegeben, im November 2014, zu diesem Zeitpunkt wurde das angeblich organische Wachstum unterbrochen. Sie sind heute nicht wieder auf einem Level der Sichtbarkeit/Reichweite, auf dem sie im September 2014 mal waren.
Was mich, wie Sascha, und sicher auch andere ärgert, ist dieser Versuch, mit Moneten Inhalte zum Mainstream zu machen. Es gibt viele kleine Hobby-Blogger die die gleiche Arbeit leisten und dafür nicht die Anerkennung bekommen, geschweige denn das Geld, selbst und vor allem, wenn sie nach den Regeln spielen.
Am Anfang hat Curved außerdem einige seiner viralen Kanäle gegen sich aufgebracht, weil die Macher mit ihrem Social Media Marketing zu weit gegangen sind. Sie haben auf Twitter künstlich Diskussionen angefangen, und gehofft Leute würden etwas retweeten. Und sie haben auf Bloggerseite Blogs angepingt, obwohl sie sie nicht verlinkt haben, weil sie wollten, dass die Blogger sich einschalten und Curved besuchen. Das sind Taschenspieler-Tricks aus dem Social Media Marketing Anfang 2000.
Lieber Alexander,
Danke für die Hinweise. Glücklichwereise muss ich Curved ja nicht verteidigen, sondern versuche aus dem zu lernen, was sie machen, um es vielleicht auch bald mal (noch) besser machen zu können. ;-)
Es sind halt Webmagazine, nicht mehr. Da sollte man die journalistische Leistung – sorry liebe Autoren – jetzt auch nicht überschätzen. Und da das System Yellow Press funktioniert (und, ja, auch tech magazine sind letztlich leichtverdauliche Unterhaltungskost), soll mir das egal sein, ob jetzt ein paar Blogs noch kommerzielle Konkurrenz bekommen. Ein schöner Nebeneffekt wäre, wenn die Web.de’s und 1&1es dann endlich ihre dämlichen Webportale einstampfen und mich beim online-Anmelden nicht mit ihrem Gossip belästigen.
Was unterscheidet e-Plus eigentlich von der SPD, die ja an zahlreichen Zeitungen beteiligt ist? So fand man in der Frankfurter Rundschau auch kein Logo SPD. In der Öko-Test wird nicht mal im Impressum auf die Mehrheitsbeteiligung der SPD hingewiesen, gleichzeitig aber solche Artikel gebracht: http://www.oekotest.de/cgi/index.cgi?artnr=12327&bernr=21&gartnr=90&suche=spd
Wird da jetzt nicht eine Trennung herbeigeredet, die es in Wirklichkeit nicht gibt?
Die Zeitungen sind Beteiligungen einer Mediengruppe die der Unternehmensgruppe der Partei gehört. Soweit ich weiß, gibt es für alle Medien Redaktionsstatuten, die eine Unabhängigkeit vom Besitzer bzw. den Anteilseignern garantieren. Sind also doch noch eine paar Stufen dazwischen und vor allem ökonomische bzw. strategische Beteiligungen – die man natürlich auch gut kritisieren kann. Allerdings dann nicht aus diesen Gründen. Solange es keinen Nachweis vom Gegenteil gibt, sind das also vor allem verkürzte unbewiesene Unterstellungen… ;)
Mir ging es nicht darum, ob die Redaktionen der SPD-Zeitungen unabhängig sind oder nicht, sondern darum das die Verbindung SPD zu den Zeitungen nicht transparent erfolgt. Das wird ja gerade e-plus von Pallenberg vorgeworfen. Es ist also zum einen nicht etwas Neues, zum anderen erscheint die Beschränkung auf Unternehmen (so nehme ich die Kritik zumindest wahr) willkürlich.
„Nachweis des Gegenteils“ ist mir zu juristisch gedacht. Die einfache Logik und Lebenserfahrung sagt einem, dass MitarbeiterInnen auch ohne explizite, also nachweisliche Aufforderung, Ihren Arbeitgeber nicht öffentlich kritisch thematisieren. Zudem widerspricht meines Erachtens die idealistische Annahme von der Unabhängigkeit der Medienmacher und Journalisten aller Vernunft und Erfahrung. Habe das mal im Nachgang zu dieser Diskussion für mich resümiert: https://thomasbrasch.wordpress.com/2015/03/23/dies-ist-ein-blog-und-noch-kein-shop/
@Karsten Lohmeyer: Möglicherweise wird die Diskussion um Curved ja etwas entschäft, wenn man diese Seite nicht als Newsportal, Blog oder Shop betrachtet, sondern schlicht als Kundenmagazin. Ob „Kunst & Material“ von Boesner, „Buchjournal“ vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels oder „Mit Liebe“ von EDEKA – solche Hefte sind doch schon immer eine kleine Konkurrenz für die echte Presse gewesen … und hatten Content Marketing bereits verinnerlicht, als es das Wort in Deutschland noch gar nicht gab.
Wäre das klassische Kundenmagazin nicht mal ein gutes Artikelthema für Lousy Pennies? Dann könnte man auch gleich deren Weg ins Web, die entsprechenden Websites und die Verdienstmöglichkeiten für Autoren besprechen – denn nach dem Vorbild von Curved werden solche Kundenmagazine doch wohl alle (irgendwann) ins Internet abwandern. Oder?
Gruss
Jochen Baumberge
Lieber Jochen,
die meisten Kundenmagazine sind schon längst im Netz und haben da auch meist ganz toll und teuer designte Präsenzen. Was sie aber nur in den seltensten Fällen haben, und das entscheidet sie dramatisch von Curved.de, ist nennenswerten Traffic. Schau Dir mal mit Tools wie zum Beispiel (das mit Vorsicht zu genießende, weil nur begrenzt aussagefähige) Similarweb solche Web-Kundenmagazine an. Mir kommen dabei jedesmal die Tränen. Viele von diesen Seiten haben weniger Traffic als unser kleines Blog hier – und zwar deshalb, weil vielen Auftraggeber und Machern/Agenturen zwar das fancy Design der Seiten wichtig ist, sie sich aber um die (natürliche) Reichweite keine Gedanken machen. Um überhaupt Traffic zu bekommen, muss man dann ganz viel Geld an Google und Facebook überweisen – und das ohne jede Nachhaltigkeit. Denn die Leser, die über die Anzeigen zu den jeweiligen Seiten gelockt wurden, wundern sich dann nur kurz, wo sie denn nun gelandet sind – und sind wieder weg.
Genau da setzt ja das Content Marketing ein und unterscheidet sich dramatisch vom Corporate Publishing im Netz: Man will den Lesern Inhalte geben, die tatsächlich „funktionieren“, um mal ein Wort von Matthias Schrader zu verwenden. Also Inhalte mit echtem Mehrwert bieten, der bei Google hoch rankt und in den sozialen Netzen freiwillig geteilt wird. Das geht meiner Meinung nach nur mit Inhalten, die auch in einem journalstischen Medium stehen können und sich ausschließlich an dem orientieren, was die Menschen da draußen wirklich interessiert.
Nach der Diskussion hab ich das erst mal setzen lassen. Jetzt habe ich mir eine erste Meinung dazu gebildet. Das kam dabei raus: https://thomasbrasch.wordpress.com/2015/03/23/dies-ist-ein-blog-und-noch-kein-shop/
Toller Text, lieber Thomas – viele schöne Beispiele :-)
Herzlichen Dank. Die generelle Diskussion bleibt spannend. Besonders die Einschätzung über und Forderung nach des Nutzers Verantwortung zur Selbstaufklärung treibt mich immer wieder um.
Es ist wie mit Printmagazinen – Magazine im Netz können nicht unabhängig sein. Es muss ein Geldgeber dahinterstecken. Banneranzeigen sind schon lange tot. Da muss man sich etwas anderes überlegen. Aber bei mobilegeeks gehen mir die Hubs mit Auto“berichten“ auf den Keks. Das ist auch einseitige Meinungsmache und müsste auch als Werbung gekennzeichnet sein.
In diesem Blogpost finde ich drei Argumente zur Verteidigung von Curved, und alle drei sind, mit Verlaub gesagt, lausig.
Eins: „Curved macht kein Geheimnis daraus, dass Eplus der Eigentümer ist“. Stimmt, Medienprofis erkennen das. Die meisten Leser nicht, Eplus ist nicht sichtbar. Leser haben keinen Grund, Curved für etwas anderes als ein neues journalistisches Erzeugnis zu halten – wieso sollten sie dann im Impressum nachsehen, wer die Seite betreibt? Schrader sagt selbst, dass nur 35% der Leser bis zum Ende der Seite scrollen, wo sie „eine Initiative von Eplus“ in kleinster Schrift lesen könnten. Dort ist auch das „About“ versteckt, indem Eplus nochmal auftaucht. Mindestens 65% der Leser täuscht Eplus also in Bezug auf den Absender. Diese „Transparenz“ ist lausig.
Zwei: „Wirklich unabhängigen Journalismus gibt es in Deutschland bei maximal einem Dutzend Medien.“ Eine schlechte Praxis als Rechtfertigung für eine noch schlechtere zu verwenden, ist lausig.
Drei: „Medien berichten nicht negativ über den eigenen Verlag.“ Stimmt, wie es eben beim Spiegel wieder in aller Ausführlichkeit zu beoachten war. Dann berichtet halt die SZ. Vodafone wird aber nicht negativ über Eplus berichten. Weil kritische (Markt)beobachtung nicht die Aufgabe von Marken ist. Aber die Aufgabe und das Geschäftsmodell von Medien. Medien sind nur vom eigenen Verlag nicht unabhängig, können/wollen also über eines von 1.000.000 Themen nicht unabhängig berichten. Marken können nicht unabhängig über den Markt berichten, in dem sie tätig sind – also über die Themen, von denen sie etwas verstehen. Siehst Du den Unterschied? Ein Telekommunikationsunternehmen kann nicht unabhängig über Telekommunikationsthemen berichten. Punkt. Dieses Argument ist lausig.
Besonders übel wurde mir bei der „Erkenntnis“ von Schrader, dass die Glaubwürdigkeit von Texten abnehme, wenn die Marke dabei steht“. Ach was! . Und das ist eine Rechtfertigung dafür, sich für etwas anderes auszugeben, als man tatsächlich ist? Das ist tatsächlich nichts anderes als bewusste Verbrauchertäuschung und schadet der Marke mehr als es dem Vertrieb kurzfristig nutzt.
Du schreibst: „Für mich ist Curved.de ein tolles Beispiel dafür, dass es tatsächlich gelingen kann, für ein Unternehmen eine neue Medienmarke im Netz aufzubauen.“ Für mich ist Curved.de ein warnendes Beispiel dafür, dass es tatsächlich gelingen kann, für ein Unternehmen eine neue Medienmarke im Netz aufzubauen – wenn man keine Absendertransparenz wahrt.
„Featured“ von Vodafone ist für mich ein Positivbeispiel. Das Logo des Konzerns dürfte einen sehr hohen Wiedererkennungswert haben – es schmückt auch das Magazinlogo. Das ist Transparenz. Bleibt zu hoffen, dass Telefónica dem Curved-Spuk einen Neustart mit echter Transparenz beschert und @sinnerschrader wegen Rufschädigung vor die Tür setzt.
Herzlichen Dank für diese Anmerkungen, die ich alle gut nachvollziehen kann. Eine Anmerkung aber doch noch von mir: Wenn Du schreibst,“Vodafone wird aber nicht negativ über Eplus berichten“, gehst Du von einem geschlossenen Markt aus, indem sich eben nur Marken oder nur Medien tummeln. In diesem Fall aber ist das Korrektiv die Masse der anderen, nichtkonzerngebundenen Medien, die munter über eventuelle Kritikpunkte berichten – so wie es eben Sascha Pallenberg im Fall von Curved macht.
Danke. Weil das eben die Aufgabe von Medien ist. Ich gehe von einem offenen Markt aus, in dem jeder Akteur seine Rolle einnimmt. Und nicht die eines anderen Akteurs, ohne klar erkennbare Kennzeichnung.
Was im ersten Moment so schlüssig klingt, verdankt sich einem verklärtem Blick auf die Pressemedien und Publikationen, was ich in meinem Beitrag auch versuchte zu beleuchten. Die Medienkompetenz des Nutzers ist gefordert und sollte sich darin zeigen, dass man die Intention eines Mediums anhand der Inhalte, Tonalität und Auswahl durchschaut. Und das könn(t)en weit mehr Nutzer als es die Medienkritiker unterstellen. Dazu muss man nicht ins Impressum schauen. Das kann es – wie hier – offensichtlich machen, sorgt aber in den meisten Fällen nicht für Transparenz.
Die Intention eines kommerziellen Reiseblogs ist die gleiche wie die eines Reisemagazin oder Reisebüros: sie wollen Reisen verkaufen. Dabei ist es gleich, ob sie nur von TUI finanziert würden oder über Provisionen verschiedener Anbieter. Ja, es wäre sogar für den Nutzer transparenter, wenn er weiß, dass nur ein Reiseveranstalter dahinter steht. Denn bei den „freien“ Blogs/ Magazinen oder Reisebüros sind ihm die Empfehlungsgründe nicht transparent. Ein Vertrieb verkauft bevorzugt die Produkte, die ihm unterm Strich die höchsten Provisionen bringen, und nicht die, die am besten zum Kunden passen. Die neutrale Beratung ist auch so eine ewige Illusion.
Und das man nicht kritisch über das Geschäftsmodell seiner Branche berichtet, gilt auch für die Medien. Dort werden sie keine Berichterstattung finden, die über die Konditionen der Werbebuchungen, über notwendige Kickbacks an Mediaagenturen berichtet oder die Effektivität der Werbung in den Medien in Frage stellt.
@Thomas Brasch: Medienkompetenz ist zwar das Stichwort, allerdings nicht, indem man sie einseitig voraussetzt.
Medienkompetenz muss der Nutzer sich selbst aneignen, muss man dem Nutzer nur ebenfalls beibringen. Dass bei eBay so viele Leute leere Kartons bestellen, dass so viele Leute auf Phishing-Versuche in ihrem E-Mail-Postfach hereinfallen, dass Curved als vermeintliches Medium wahrgenommen wird, kann nicht das Ziel unserer Gesellschaft sein. Das liegt vor allem nicht nur an der Medienkompetenz der Nutzer.
Man kann natürlich zuschauen und schadenfroh sein, wenn man selbst nicht auf die Tricks hereinfällt. Aber ich glaube nicht, dass wir uns so etwas wünschen können, dass die Leute so aufs Kreuz gelegt werden, nur weil niemand sie darüber aufklärt und ihnen hilft.
Wie wichtig die Vermittlung ist, merkt man schon daran, wenn eine Webseite ein bloßes Re-Design erfährt und manche Nutzer dann Funktionen nicht mehr wiederfinden.
Wunderbar. Wir nähern uns einem Kern in der Debatte, den ich für viel grundsätzlicher erachte und der sie für mich auch so spannend macht. Denn vordergründig sehe ich hier nur einen Sündenbock, der für eine vergleichsweise plumpe und leicht zu durchschauende Form eines trojanischen Pferdes der Werbung (wie ich schon in meinem Beitrag schrieb) abgestraft werden soll.
Der Reflex kommt dabei von Medienmachern, die davon leben, ihr härenes Eigenbild der Integrität zu „vermarkten“. Sie empören sich als Anwälte der Nutzer, die vermeintlich hinters Licht geführt werden. Doch letztlich sind ihre Beweggründe andere: nämlich die Angst vor Geschäftsschädigung ihrer Branche durch solche angeblich „schwarzen Schafe“. Angeblich sage ich deshalb, weil das, was die Betreiber von curved & Co. machen nur die einfacher zu durchschauende Intention und Beeinflussung von allen Medien und ihren Machern ist.
Es gibt meines Erachtens keinen gangbaren Weg, Medien und Publikationen nach einem nicht definierbaren Grad von Integrität „in noch erlaubt“ und „nicht mehr erlaubt“ zu kategorisieren. Für noch bedenklicher halte ich es, dafür Instanzen einzusetzen. Denn solche, sei es der Gesetzgeber oder brancheninterne Institutionen, wiegen den denkfaulen Nutzer in einem Obrigkeitsschutz und er fühlt sich von der Eigenverantwortung entlastet. Ein Phänomen, das in unserer Gesellschaft seit Jahren zunehmend wächst und exakt dem entgegenwirkt was in einer freien Gesellschaft notwendig wäre: kritische Nutzer, Konsumenten und Bürger.
@Thomas Brasch: Die Unterteilung fordere ich nicht.
Doch „kritische Nutzer, Konsumenten und Bürger“ bekommt man vor allem durch BILDUNG. Warum wir bei der Medienkompetenz eine Ausnahme davon machen sollen, weiß ich nicht. Da sollen es angeblich die Leute alleine richten.
Wie wäre es mit einem „sowohl als auch“ statt eines „entweder oders“? Medienkompetenz fördern UND ethische Unternehmenskommunikation fordern? Wenn dann alle medienkompetent sind, dürfen Marken wieder Versteckspielen.
Diesem ersten Konsens kann ich mich anschliessen, mit einer kleinen Einschränkung, die man jedoch an dieser Stelle sicher nicht diskutieren muss: Bildung ist auch ein Gut, das sowohl mit einer Bring- als auch eine Hol-Schuld verbunden ist.
Hallo Karsten, habe ja die ganze Debatte intensiv verfolgt, habe diesen Blogbeitrag aber erst jetzt gesehen. Ich finde ihn klasse. ALso einfach deswegen, weil ich Argumentation überzeugend finde und ihr zu 100% folge.
Dennoch (obwohl das vielleicht gar kein Widerspruch ist), gibt es einen sehr schmalen Grad. Der Vorwurf von Sascha (und anderen) ist ja grundsätzlich berechtigt. Es gibt genau das, was Sascha da beschreibt. Nur geht der eben bei Curved ins Leere. Anders als bei ganz vielen „klassischen Medien“ gibt es eben die konkreten Fälle der Interessenvermischung („Schleichwerbung“, „bezahlte nicht ausreichend gekennzeichnete Beiträge“ usw.).
Im Gegenteil: Jeder konkrete Vorwurf („testet nur Produkte, die sie selbst im Shop haben“, „berichtet nicht kritisch über Partner“), der von den Gegnern dieses Modells vorgebracht wurde, ist nicht nicht nicht belegbar, er ist sogar konkret wiederlegbar. Für beides gibt es bei Curved viele, viele Beispiele.
Es gibt aber eben auch andere Beispiele, wo das tatsächlich „Journalismus aus der Hölle“ ist, wie aktuell z.B. „http://www.mittelstand-die-macher.de“ von der Deutschen Telekom. Ich nennen das nicht, um dei Telekom oder die Macher zu bashen, sondern weil es eben ein schönes Gegenbeispiel zu Curved ist. Hier fehlt jegliche Trennung. Die Suche ergibt 180 Artikel über „Telekom“ (bei Curved zu „E-Plus“ kommen 12 Artikel), und diese Beiträge sind wirklich schamlose PR-Beiträge, vielfach auch ohne Kennzeichnung. Die Redaktion von „Mittelstand – die Macher“ muss unmittelbar nachbessern, hier liegt wohl ein eindeutiger Verstoß gegen zumindest §5 UWG vor.
Aber ich finde auch sonst, dass bei „Mittelstand – die Macher“ eine Grenze überschritten ist. Und da wird eben auch deutlich, welch massiver Unterschied zu Curved besteht. Ich finde: Wir, also die (potenziell) an solchen Produkten beteiligt sind, sollten da sehr aufmerksam sein. Im Grunde sollten wir einen noch höheren Maßstab an journalistische Ansätze anlegen als Medien.
Alles in allem die Bankrotterklärung des unabhängigen oder gar investigativen Journalismus.
Wenn es ohnehin keinen unabhängigen Journalismus mehr gibt, sondern stets auch andere (monetäre) Interessen im Hintergrund stehen spielt es in der Tat keine Rolle mehr, wer nun Absender des Inhalts ist und diese bräuchten auch nicht mehr gekennzeichnet werden. Unabhängig und am Informationsangebot als Selbstzweck interessiert ist sowieso niemand. So scheint zumindest die gängige Meinung zu sein.
Nur ist es schlicht nicht vergleichbar, ob ein unabhängiges Medium womöglich keine negative Berichterstattung über Hausinterna oder auch Anteilseignern des Verlags o.ä. veröffentlicht und damit natürlich gewissen Interessen unterliegt, die die absolute journalistische Freiheit einschränken oder ob es (alleiniges) Ziel des Mediums ist, möglichst viele Informationen anzubieten, die letztendlich den Verkauf der hinter diesen Infos liegenden Produkte fördern soll. Denn bei dem einen handelt es sich im Newsmarkt stets um Einzelfälle (es wird niemals alleiniger Inhalt eines unabhängigen Newsprodukts sein, ausschließlich über sich selbst zu berichten), die zwar nicht begrüßenswert sind, aber durch alternative Berichterstattung im Markt aufgefangen werden können, während beim anderen der sog. Journalismus gar nicht mehr in der Lage sein kann, die Menschen zu befähigen, sich ein umfassendes Bild über die dargebotenen Inhalte zu machen.
Verstehe diesen kritischen Punkt wohl nicht: „Ziel des Mediums ist, möglichst viele Informationen anzubieten, die letztendlich den Verkauf der hinter diesen Infos liegenden Produkte fördern soll.“
So wie ich ihn verstehe, lehnt dies jegliches Spezial Interest Produkt der Verlage ab. Automagazine, Reisemagazine, Sportmagazine, Kochmagazine etc. sind alles Contentlieferanten, um den Absatz in der jeweiligen Branche zu fördern. Würden sie so nicht an Werbekunden verkauft, gäbe es sie nicht.
Hallo. Gäbe BMW ein Automagazin, TUI eine Reisemagazin und Adidas ein Sportmagazin heraus, am besten noch ohne sich selbst klar als Absender zu kennzeichnen, wäre deren Produktrezensionen ebenso unglaubwürdig. Der Zweck eines Magazins o.ä., herausgegeben von einem unabhängigen Printverlag ist m.W. nicht, den Absatz einer Branche oder gar einer Marke zu fördern, sondern Leser (möglichst unabhängig) zu befähigen, sich eine Meinung zu bilden oder sie zu unterhalten. Orientiert wird sich dabei an Interessen der Leser, nicht der Werbekunden oder externer Geldgeber. Um die Absatzförderung müssen sich Werbekunden dabei immer noch selbst kümmern.
Dass diese Unabhängigkeit in der Realität nicht immer gewährleistet ist, ist mir durchaus bewusst, rechtfertigt meiner Meinung aber nicht, sämtliche Prinzipien eines unabhängigen Journalismus über Bord zu werfen bzw. für ohnehin tot zu erklären. Momentan gibt es noch einige Verlage, Journalisten bzw. Publikationen, die nach wie vor auch gegen Interessen von Werbekunden berichten und damit auch finanzielle Einbußen in Kauf nehmen. Und noch gibt es auch Titel, deren einziger Zweck es nicht ist, Werbegelder einzusammeln, um sich dann als Sprachrohr der Werbekunden quasi selbst zu instrumentalisieren.
Eine sehr idealistische Sicht auf die Medienmacher. Die Entscheidung, ob es ein Magazin zu speziellen Interessen gibt, ist zunächst immer eine wirtschaftliche und keine Frage der journalistischen Relevanz. Nur wenn die Magazinidee ausreichend Werbekunden überzeugt, wird sie verwirklicht. Entsprechend gilt es das Content-Umfeld dann auch zu pflegen. So wird es wohl in keiner Autozeitschrift Artikel über die Vorzüge eines Tempolimits geben oder die Vorzüge der Bahn gegenüber dem Individualverkehr. Genauso wenig wird man dort über Pro & Cons des Motorsports viel finden. Denn weder die Leser wünschen dies, noch die Werbekunden und wohl sicher auch nicht die Angehörigen der Redaktion. Der Content in BMW-Magazine ist oftmals deutlich informativer und qualitativ hochwertiger als der in der AMS oder Autobild, zumindest wenn ich sowieso schon leidenschaftlicher Autofahrer bin.
Diese Sicht auf die Dinge finde ich nun ehrlich gesagt etwas undifferenziert. Als Leser einer ams erwarte ich keine kritische Auseinandersetzung mit den Vorzügen der Bahn, sehr wohl aber eine kritische Auseinandersetzung mit dem Kernthema, nämlich Auto(test)s. Wenn diese nun aufgeweicht oder ausgesetzt wird, um Werbekunden oder anderen Stakeholdern im Verlag entgegenzukommen, mündet das schlicht in bewusster Irreführung der Leser.
Und als BMW Fan kann ich das Magazin, dessen Optik und den Content schätzen, wenn ich aber erwarte, mir damit ein differnziertes Bild über die Marke zu machen, bin ich mehr als naiv. Insofern stimme ich dem Punkt, dass das Magazin informativer sei als eine ams nur dann zu, wenn es darum geht eine BMW Leidenschaft zu pflegen (oder einen Kauf zu bestätigen).
Daher halte ich beide Beispiele nicht für unbedingt auf das vorliegende Thema andwendbar.
Generell möchte ich wirtschafliche Verflechtungen nicht in Abrede und auch die Existenzberechtigung von Kundenmagazinen nicht in Frage stellen, ich wehre mich allerdings dagegen, all dies als Rechtfertigung oder Erklärung für den zunehmend unverhohlenen Versuch zu nehmen, Menschen auf der Suche nach Informationen mit eigenen möglichst gut getarnten Inhalten regelrecht hinters Licht zu führen. Nur weil es etwas gibt, muss es noch lange nicht in Ordnung sein. Die Mehrheit „da draussen“ unterliegt m.E. nämlich der (offenbar hier als naiv-idealistisch eingestuften) Vorstellung, dass es noch Medien gibt, die unabhängige Informationen bereitstellen. Die Diskussion über den Wert dieser Art von Werbung, sei es getarnter Content oder Native Advertising oder was auch immer ist dabei noch einmal eine ganz andere jenseits moralischer Fragen.