Trojanische Pferde auf dem iPhone: Warum Verlage Angst vor Snapchat, Instagram & Co. haben sollten
2Schon jetzt sind sie nach Google die wichtigsten Trafficbringer für Medienangebote. Doch was passiert eigentlich, wenn die sozialen Medien zu „echten“ Medien werden?
Es ist nur ein kleiner Tweet. Doch er könnte die Medienwelt verändern. Ok, nicht, der Tweet an sich, aber sein Inhalt: „Verleger aufgepasst! Snapchat und Instagram schreiben Redakteurstellen aus“, twitterte vor einigen Tagen Simon Hurtz relativ unbeachtet und dann auch noch missverstanden. Dabei beinhaltet dieser Tweet alles, was Medienhäusern und jedem, der digitale Medien produziert, Angst machen sollte.
Ein Medienangebot von Google wäre vom Start weg eines der reichweitenstärksten in Deutschland geworden.Um die Tragweite zu verstehen: Das wäre fast so, als hätte Google während des Streits ums Leistungsschutzrecht beschlossen, Google News zu schließen und stattdessen eine eigene Redaktion aufzubauen. Vom Start weg wäre dieses Medienangebot vermutlich eines der reichweitenstärksten in Deutschland geworden. Das zumindest lässt sich aus den Erfahrungen von Springers „Welt“ schließen, die schon nach zwei Wochen Google-Enthaltsamkeit von einem finanziellen Verlust in Millionenhöhe sprach.
@SimonHurtz @LousyPennies Und die News bei Snapchat kann man nur 3 sec. anschauen? Ist das die Antwort auf den Information Overload?
— Peter Hogenkamp (@phogenkamp) 24. Januar 2015
Ähnlich dürfte es aussehen, wenn (die Instagram-Mutter) Facebook eigene Redaktionen aufbauen würde. Denn neben Google sind die sozialen Netzwerke heute zur wichtigsten Besucher-Quelle von Medienangeboten geworden, der Löwenanteil kommt von Facebook. Allein bei der taz macht der „Social Traffic“ angeblich schon 28 Prozent der Besucherzahlen aus. Für die Nutzer von Facebook, Instagram, Pinterest, Twitter, Snapchat und Whatsapp ist es völlig normal, dass Links zu aktuellen Nachrichten in ihrem Newsstream auftauchen. Der Absender ist dabei oft gar nicht mehr so wichtig, Hauptsache der Inhalt interessiert.
Man stelle sich nur vor, was passiert, wenn Facebook beschließt, eigene Nachrichten bevorzugt im Newsstream anzuzeigen – und die Inhalte der etablierten Medienkonkurrenz fast nur noch gegen Bezahlung.
Besonders brisant ist diese Erkenntnis in Kombination mit dem Fakt, dass das Internet immer mobiler wird.
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista
Der Grund: Die mobile Nutzung unterscheidet sich sehr stark von der Desktop-Nutzung. Während sich auf dem stationären Rechner noch fast alles im Browser abspielt, nutzen die meisten mobilen Nutzer Apps, um ihre gewohnten Services zu nutzen. Schon jetzt sind die Apps der sozialen Medien (Facebook, Twitter, Instagram, Snapchat etc.) die meistgenutzten Programme auf den Smartphones, gar nicht zu reden von der Facebook-Tochter Whatsapp und weiteren Messaging-Diensten.
Die Apps der sozialen Netze haben ihren festen Platz auf den Smartphones.Das heißt: Während Medienanbieter mit Apps wie zum Beispiel „Buzz“ von Bild.de oder das Start-Up Niuws von Peter Hoegekamp gerade mühsam versuchen, sich ihren Platz auf den Smartphones zu sichern, sind die sozialen Netze schon längst da. Und anders als bei vielen Gratis-Apps, die mal eben schnell heruntergeladen und dann wieder vergessen werden, werden sie millionenfach intensiv genutzt. Und selbst wenn sie auf einen Medienlink klicken, verlassen die Nutzer die Facebook-Welt nicht – angezeigt wird die Webseite im Facebook-Browser. Auch dass ein Link zu einer spannenden Nachricht bei Snapchat vielleicht nur eine kurze Zeit zu sehen ist, muss da nicht mal ein Nachteil sein, Herr Hoegekamp – es entspricht dem Nutzungsverhalten der Zielgruppe.
Eigene News-Angebote sind der nächste, logische Schritt
Sieht man sich aber nun die Nutzungs-Statistiken an, fällt sofort eines ins Auge: Trotz ihrer Spitzenposition bei der Nutzungsrate ist die Verweildauer der User im Vergleich zu News-Diensten relativ gering. Das kann Facebook-Chef Mark Zuckerberg nicht gefallen, denn Zeit ist schließlich Geld und jeder nach außen zeigende Link ein potentiell verlorener Nutzer. Schon jetzt konkurriert Facebook auf dem Werbemarkt mit klassischen Verlagsangeboten. Eigene News-Angebote sind also der nächste, logische Schritt, um die Nutzer länger oder dauerhaft in der Facebook-Welt zu halten – und zu vermarkten (Stichwort: Native Advertising).
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Noch ist es natürlich nicht so weit. Noch kooperiert zum Beispiel Snapchat bei der Entwicklung seines geplanten, redaktionellen Discovery-Reiters mit etablierten Medienanbietern. Vielleicht sind eigene Medienangebote für die sozialen Netzwerke auch gar nicht interessant, weil zu teuer zu produzieren. Doch wie die Stellenanzeigen von Instagram und Snapchat zeigen, ist der Aufbau einer Vollredaktion für ein finanziell bestens ausgestattetes soziales Netzwerk nicht nur theoretisch eine Option. Vor allem aber sind immer mehr Journalisten bereit, sich auf ein digitales Abenteuer außerhalb der klassischen Verlage einzulassen.
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Sehr spannender Gedanke. Irgendwie ziemlich besorgniserregend, wie stark sich das mobile Web monopolisiert. Andererseits ist das genau das, was von den Usern erwünscht wird.
Yo! Gegen Facebook werden die deutschen (!) Verlage wenig ausrichten. Um so wichtiger sind Ansätze, wie die etablierten Medien den Datenstrom der Sozialen Medien ein Stück weit integrieren. Die Einbindung von Tweets ist inzwischen Standard – aber da geht noch viel mehr. Nett ist zum Beispiel das Tool YourStory der BBC. Allerdings ist die ja durchfinanziert und muss sich nicht darum sorgen, ein paar lousy pennies gegen die ganz Großen zu verteidigen.