Karl Sackreis berichtet! Ein Plädoyer für glaubwürdigere Branchendienste
6Darf man als junger Journalist einfach so die großen Branchendienste der Medienwelt kritisieren? Man darf, man sollte – und als Journalist muss man es sogar. Denn Anlass zur Kritik gibt es derzeit genug, meint unser Gastautor Christian Schweppe. Er fordert: Mehr Seriosität, bitte!
VON CHRISTIAN SCHWEPPE
Es sind die großen Medien-Dienste wie meedia, DWDL oder turi2 auf die wir Journalisten häufig zuerst blicken, wenn es Neues gibt in unserer hektischen Medien-Branche. Für Medienjournalisten ist dieser Blick Routine; am Wochenende reicht die Zeit allemal, um sich die Branchendienste der Medienwelt näher anzuschauen. Was man da so liest, ist bisweilen mindestens erstaunlich.
Ende der Woche entschuldigte sich Bild-Chef Kai Diekmann augenzwinkernd für einen Katzengriller-Bericht in seinem Blatt, unter dem Aldi ausgerechnet für knusprige Hax´n Werbung geschaltet hatte. Dem Branchendienst meedia war das eine Meldung wert. Das Thema ist ja auch wichtig: Die Trennung von redaktionellem Inhalt und Geschäftsabteilung gehört zum journalistischen Handwerk, zur Ethik, zur Grundregel.
Alptraum für jeden Apple-Fan: Erster Käufer lässt iPhone 6 während Live-Interview fallen… http://t.co/YTIz13RRmI
— MEEDIA (@MEEDIA) 19. September 2014
Welche Stars waren bei der Netflix-Party in Berlin dabei? http://t.co/OabVeZ1Jo0 — MEEDIA (@MEEDIA) 17. September 2014
Aber nicht, dass meedia sich dem Thema ernsthaft gewidmet hätte; nicht, dass ein wichtiger Hinweis (im Sinne der Branche) folgte. Stattdessen kam ein seltsam lapidarer Mischling aus Glosse und missglücktem Humor. Abschlussfrage des Autors: „Lassen sich die Hendl und Haxen auch mit dem Bunsenbrenner grillen?“.
Warum sich meedia dem Thema so ungewollt komisch näherte, erfuhr der Leser nicht. Wolf Schneider hätte drangeschrieben: Bäh! Alles Wissenswerte zur Trennung von Redaktion und Geschäft gibt es übrigens hier: http://www.presserat.de/pressekodex/pressekodex/ (Ziffer 7).
Ebenso im Laufe dieser Woche haben die US-Konzerne Apple und („Streaming-Supermacht“) Netflix die gesamte Branche in hysterische Schnappatmung versetzt – und natürlich auch die Branchendienste.
Unter dem Titel „Alles, was Sie dazu wissen müssen“ versprach meedia dem Leser eine Zusammenschau der wichtigsten Fakten rund um den Netflix-Start in Deutschland, grenzwertig genug. Präsentiert bekam man nach einem Klick aber subtile Lobeshymnen: Netflix sähe „ziemlich gut aus“ und habe eine „absolut zufriedenstellende Bibliothek“. Hinweise, dass den Leser einen Meinungsbeitrag erwartete, hatte es nirgendwo gegeben.
Unglaubwürdig macht sich meedia damit aus gleich zwei Gründen: An anderer Stelle witzelte man noch über „Netflix´ platte Werbung zum Deutschlandstart“. Noch ungünstiger: Als Titelbild zur eigenen, getarnten Netflix-Beweihräucherung war man nicht sonderlich kreativ – und wählte kurzerhand Schnipsel aus der original Netflix-Werbung. „Jederzeit und überall.“ Kostet ja auch nur 7,99 Euro im Monat. Das Titelbild gibt´s sogar gratis. Wie war das nochmal mit der Trennung von journalistischem Inhalt und Geschäftsabteilung? Vielleicht war man gerade aber auch einfach noch abgelenkt vom Bunsenbrenner-Test und den Hähnchen.
Nach dem langen Werbe-Tag dann die exklusive Netflix-Launch-Party am Abend. DWDL war live dabei, hatte sich „ins Getümmel“ gestürzt. Für uns. Allein: Wer hatte sie eigentlich drum gebeten? Wo blieb die professionelle Distanz? Meedia zog erst am nächsten Morgen nach und zeigte, welche „Stars“ bei der Netflix-Party dabei waren. Werbung machten die Branchendienste in dieser Woche aber auch schamlos für Apples neues iPhone.
Nur: Welcher Nachrichtenfaktor trifft eigentlich auf die Präsentation des neuen Produktes eines US-Konzerns zu? Manche sagen, das sei jetzt ein gesellschaftliches Ereignis. Freaks, eben – diese Leute sind alle Freaks, und dann haben die auch noch einen Bart, uuääh – richtige Freaks also, die nachts auf dem Bürgersteig ihre Camps aufschlagen. Also ein gesellschaftliches Ereignis.
Aber genau das hat Apple gewollt. Und spart so ganz bequem Marketingkosten. Journalistisch relevant ist das nicht. Und Berichte aus der Apple-Schlange hat Richard Gutjahr schon 2011 geliefert. Man muss das nicht toll finden oder journalistisch einwandfrei. Allgemein wurde es zurecht auch eher als „ipad-Stunt“ bezeichnet. Nachmachen muss man das 2014 jedenfalls nicht mehr. Trotzdem japst meedia schon fleißig weiter: nächste Apple-Keynote im Oktober. Mit den neuen ipads. Vielleicht. Zusammengefasst war diese Woche so einiges los in den Timelines von meedia und turi2:
- „Erklärt Ana Ivanovic der Welt auf Instagram, dass der Flirt mit Bastian Schweinsteiger zu Ende ist?“ *Kreisch*
- Ein Achtjähriger verdient Millionen – mit Spielzeug-Tests bei Youtube. Gehaltsabrechnungen schickt er immer exklusiv an meedia.
- Blinkfeed: Apples goldene 18-Karat-Watch könnte 5.000 Dollar kosten. Alternative: Die Uhr von so einem Middelhoff, Geschäftsmann.
- Erster Kunde lässt iPhone 6 auf den Boden fallen. Karl Sackreis berichtete.
- Jan-Eric Peters (49, smart, aber nicht in die Öffentlichkeit drängend) ist jetzt King of Trimedia. Super-Chefredakteur. Welt-Herrscher. Und Ulf Poschardt ist anstrengend.
Diese Medien! „Super-Chefredakteur“, „King of Trimedia“, „Welt-Herrscher“ #Zeitfürdiefrühpensionierung #Vonnunangehtsmedialbergab — Jan-Eric Peters (@jep_) 18. September 2014
Erklärt Ana Ivanovic der Welt auf Instagram, dass der Flirt mit Bastian Schweinsteiger zu Ende ist?⁰ http://t.co/C27fXu6IFf — MEEDIA (@MEEDIA) 17. September 2014
Das Who is who der Branche ist heute bei der Launchparty von @NetflixDE in Berlin. Stürzen uns gleich ins Getümmel pic.twitter.com/I0RGNQ9JR1 — Medienmagazin DWDL (@DWDL) 16. September 2014
Und natürlich fand auch die Berichterstattung über den Krach beim Spiegel Platz. Die erkennt man auf zwei Arten. Erstens: Eine brennende Ericusspitze als Fotomotiv. Dann ist man bei Buzzfeed. Oder zweitens an den Signalwörtern: Endkampf, Säuberung, würde, sollte, könnte. Offenbar gut möglich. Das System glich sich dabei zuletzt immer häufiger: Meedia zitiert turi2, die einen „Insider“ zitieren, der eigentlich gar nicht mit Namen zitiert werden will.
Und auch hier ein merkwürdig lapidarer Ton: So ist es „derzeit mächtig en vogue“, beim Spiegel Protestbriefe zu schreiben. Diesen Ton und diese Haltung kritisiert man sonst gerne selbst beim Spiegel. Auf den Spiegel wird gegafft, als sei er ein böser Autounfall. Man bauscht die Krise dort gerne auf, nur um dann von Zerfleischung sprechen zu können. Klicks bringt das aufjedenfall. Insgesamt ist das zu viel Mauschelei, zu viel Schadenfreude; zu wenig Faktizität und zu wenig Relevanz.
Turi2 kräht, dass einer beim Spiegel „Endkampf“ gesagt hat. Und schreibt: „…die ihren Job bei der Säuberung verlieren“. Säuberung? Hallo? — yassin musharbash (@abususu) 16. September 2014
Mit Leser-Kritik gingen einige der Branchen-Dienste in der Vergangenheit mitunter dünnhäutig und kaum souverän um. Die klare Abgrenzung von PR aber, die journalistische Einschätzung, ob etwas relevant ist; Glaubwürdigkeit – all das erwarte ich von einem seriösen Branchendienst, der täglich Journalisten und Medienmacher beliefert. Und bitte: weniger bäh!
Denn in der Summe schaden sich die Branchendienste damit selbst – und der Branche. Denn Glaubwürdigkeit ist das höchste Gut, das wir Journalisten, wir Medienmenschen, haben. Ein Gut, das es zu verteidigen gilt. Und das schafft man nicht mit Häme, Netflix-Werbung oder Ana Ivanovic.
Über den Autor
Christian Schweppe (21), mit 15 Start im Lokaljournalismus und als Schülerreporter bei der Welt, seither Aufträge für ZDF, Süddeutsche, Neue Westfälische und Campusradio, derzeit Journalistik-Studium in Eichstätt und JFS-Stipendiat bei der hss.
https://twitter.com/ChSchweppe
https://www.xing.com/profile/Christian_Schweppe2
Vor allem dein letzter Satz ist entscheidend und die ist in den letzten Monaten mit Füssen getreten worden.
Interessante Kritik. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass unsere Branchendienste mehr als Klatsch- und Tratschverstärker sein könnten.
ein sehr guter artikel, schlüssige und nachvollziehbare form der meinungsäußerung. die verwendung eines accent aigus als apostroph im wort „hax’n“ schmerzt jedoch dem journalistischen-auge.
Etwas mehr Flüssigkeit (nochmal durchlesen, hier und da die Kanten glätten, verständlicher machen für die, die erstmal garnicht wissen, worum’s geht: wie bei der SPIEGEL-Erwähnung: ich les den nicht, weiß also auch nach obiger lektüre nicht, was da passiert ist) …würde dem Artikel gut tun. Schreiben und sprechen – zu Freunden, die wissen, worum’s geht – sind verschiedene Dinge.
Danke! Einfach nur, aus tiefstem Herzen Danke. Nur leider sind derartige Mahnung schon oft geschrieben worden. Und der Irrsinn wird dennoch immer stärker, der Wahnsinn in den Medienhäusern nimmt zu.
Produktvorstellungen von Konzernen sind den so seriösen Medienhäusern wichtiger als polititische Entwicklungen oder gesellschaftliche Probleme geworden. Es ist „geiler“, dass neue iPhone, das nächste Galaxy etc. „live“ zu fotografieren und zu mutmaßen, als ernsthaften Journalismus zu betreiben. Dass diese Geräte in den nächsten Wochen eh auf den Markt kommen, mit definitiven Spezifikationen, dass es genug Fachmagazine gibt, die sich ausschließlich mit den Gebrauchsgegenständen wie Handys beschäftigen – geschenkt. Lieber hyperventilierend darüber berichten, dass die Kamera nun 6 statt 5 Megapixel hat und in einem Jahr erscheint. Super. Absolut wichtig – ich konnte gar nicht mehr ruhig schlafen, ohne die neueste Keynote eines überbezahlten Managers zu seinem überteuerten Produkt zu lesen, welches dasselbe macht wie das alte Produkt. Danke liebe Journalisten!
Entschuldigung? Mokiert sich hier jemand ernsthaft über die Twitterei der Branchendienste und braucht dafür mehr als 140 Zeichen?