Scott Lamb von BuzzFeed: „Traditionelle Medien in Deutschland sind gar nicht gezwungen, innovativ zu sein“
2Scott Lamb ist Vice President International bei BuzzFeed. Ich habe ihn auf dem DLD in München getroffen – und jetzt gab er mir dieses Interview.
Wer sich in den letzten Monaten mit dem Thema „Zukunft des Journalismus“ auseinandersetzte, kam am Thema „BuzzFeed“ kaum vorbei. Auch wir haben uns an der Debatte beteiligt, was die lustigen Listen („Listicles“) und Katzenbilder von BuzzFeed für unser Verständnis von Journalismus bedeuten – und ob ein Angebot wie BuzzFeed auch in Deutschland eine Chance hätte.
Neben den voll und ganz auf die sozialen Medien ausgerichteten Häppchen-Inhalten und animierten Gifs, entzünden sich die Gemüter vor allem an einer angeblich neuen Art von Werbung, die Print-Journalisten seit Jahren als „Advertorial“ bekannt ist: Native Advertising. Also Anzeigen, die auf den ersten Blick wirken wie redaktionelle Inhalte und von unkundigen Leseren sehr leicht verwechselt werden können – und wohl auch sollen.
Die Diskussion hat auch ein Mann mit großem Interesse verfolgt, der dazu etwas mehr sagen kann: Scott Lamb. Er ist Vice President International von BuzzFeed und hat gerade Ableger der erfolgreichen Social-News-Seite in Brasilien und Großbritannien gestartet – und Dank seiner Zeit bei der englischsprachigen Ausgabe von Spiegel Online konnte er der deutschen Diskussion zumindest folgen. Er nutzte seinen Deutschland-Aufenthalt, um sich mit vielen Medienmachern und Medienbloggern zu unterhalten, auch mit uns. Für uns war das natürlich ein spannendes Hintergrund-Gespräch. Doch dabei wollten wir es nicht belassen. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, als sich Scott bereit erklärte, uns ein Interview zu geben.
Das englische Original des Interviews lest Ihr hier. READ THIS INTERVIEW IN ENGLISH!
Update vom 6. März 2014: Es ist entschieden – BuzzFeed kommt nach Deutschland, sucht hier bereits einen deutschen Chefredakteur.
Ist Native Advertising die dunkle Seite der Macht?
Hey Scott, BuzzFeed kommt also nach Deutschland… Wann genau und wie?
Unser bisheriges Modell bestand immer daraus, BuzzFeed in einem neuen Land so an den Markt zu bringen, als würden wir BuzzFeed zum allerersten Mal überhaupt starten.
Wer werden wahrscheinlich mit einem sehr kleinen lokalen Team starten, das sich auf soziale Inhalte konzentriert und ihm Zeit geben, zu experimentieren und seine eigene Stimme und Sichtweise zu entwickeln.
Beim DLD hast Du mit vielen Bloggern und Journalisten Hintergrundgespräche geführt. Was hast Du dabei herausgefunden?
Ich bin aus meinen Gesprächen auf dem DLD mit dem Gefühl herausgegangen, dass es zwei Lager in der deutschen Medienlandschaft 2014 gibt. Beide denken sehr viel über das Digitale nach.
Die eine Seite macht sich sehr große Sorgen über den Effekt, den der Aufstieg der digitalen Medien auf die bisherige Medienlandschaft haben wird. Die andere Seite sieht das in einem positiveren Licht, als Zeit einer großen Veränderung, aber eben auch von großartigen Möglichkeiten.
Du hast in Deutschlang gewohnt und kennst uns ganz gut. Warum glaubst Du, dass noch kein deutscher Verlag oder ein Startup bisher etwas ähnliches wie BuzzFeed versucht hat? Die Holländer tun es, die Schweizer tun es …
Ich glaube, ein Grund ist die große Stärke der traditionellen Medien in Deutschland. Es gibt hier viele journalistisch gut gemachte und finanzstarke Zeitungen, Magazine, Fernsehsender und Radiostationen, die aufgrund ihres andauernden Erfolges gar nicht dazu gezwungen sind, innovativ zu sein.
Solange sich die Demographie ihrer Leser nicht umfassend ändert, wird es nicht das Hauptbestreben der traditionellen Medien sein, sich mit dem Digitalen zu beschäftigen.Und da ihre Kernmarken so stark sind, ist auch ihr Ansatz, das Netz als Business zu nutzen, recht konventionell. Ihre Verkaufsteams können Display-Anzeigen im Paket mit Anzeigen in den Kern-Medien verkaufen, und so die Kosten für die Digital-Abteilungen decken. Solange sich die Demographie ihrer Leser nicht umfassend ändert, wird es nicht ihr Hauptbestreben sein, sich mit dem Digitalen zu beschäftigen.Der andere Grund hat mit der Start-Up-Szene zu tun, die zwar inzwischen sehr stark in Deutschland ist, aber hier etwas später als in anderen Ländern durchstartete. Aber inzwischen kommen mehr und mehr Medieninnovationen aus Deutschland. Ich glaube, das ist ein Trend, der sich fortsetzen wird.
Hast Du Dir Upcoming und andere Kopien angesehen? Was ist Deine Meinung?
Ich würde sie nicht Kopien nennen, auch wenn sie sie sich offensichtlich sehr genau angesehen haben, was BuzFeed macht. Blick Am Abend und Watson sind sehr beeindruckende Angebote. Ich mag, was sie machen.
Ich muss Dich das fragen: Ist BuzzFeed Journalismus?
Unbedingt. Wir machen sowohl Entertainment als auch Nachrichten, was nichts Neues ist. Aber es ist keine Frage, dass die Stories unserer Reporter Journalismus sind. Schau Dir unsere politics, tech, world, sports, business, longform,entertainment or LGBT Sektionen an. Da gibt es jeden Tag Dutzende Beispiele.
Ihr habt bei BuzFeed bekannte Investigativ-Journalisten eingestellt. Werdet Ihr das gleiche in Deutschland tun?
Wir werden sehen. Es hängt sehr viel davon ab, was wir in den nächsten Monaten lernen werden. Aber ich glaube, dass es bei den deutschen Lesern ein sehr großes Interesse für investigative und harte News gibt. Also wird das etwas sein, was wir unseren Lesern anbieten wollen.
Wenn Ihr Euch für die Eröffnung eines Büros in Deutschland entscheidet (wir haben über Berlin geredet), werdet Ihr dann deutsche Redakteure einstellen? Nach welcher Art von Leuten sucht Ihr? Und wo kann man sich bewerben?
Für eine deutsche Version von BuzzFeed brauchen wir unbedingt deutsche Schreiber.Für eine deutsche Version von BuzzFeed brauchen wir unbedingt deutsche Schreiber und Redakteure. Wir werden bald genauere Anforderungen haben, aber wer sich für einen Job bei uns interessiert, kann mir jederzeit unter scott@buzzfeed.com eine E-Mail schicken.Wenn Du die Kern-Essenz von BuzzFeed in wenigen Worten beschreiben müsstest, welche wären das?
Wir sind das Nachrichten- und Entertainment-Medien-Unternehmen für das soziale Zeitalter.
Ist Native Advertising die dunkle Seite der Macht?
Keineswegs. Native Anzeigen sind für uns soziale Anzeigen: Anzeigen, die so gut sind, so interessant, dass die Menschen sie gerne teilen möchten. Sie sollten nicht in die Irre führen, klar und unzweideutig als Anzeigen gekennzeichnet sein – aber eben die interessantesten Anzeigen sein, die möglich sind.
Lieber Scott, vielen Dank für das Interview!
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Wenn native Werbung klar und eindeutig markiert und gleichzeitig gerne sozial geteilt wird, dann spricht grundsätzlich nichts gegen die neue Form der Werbung. Der Leser wird nicht hinters Licht geführt und die Objektivität des Journalismus durch gezielt markierte Werbebeiträge nicht verwaschen.
Außerdem wird sich der Werbemarkt weiter entwickeln und Webtrends wie Gifs, Vines und ähnliche Konzepte mit Werbeinhalten verknüpfen dürfen. Werbung die mir Spaß macht? Warum denn nicht!
[…] der deutschen Ausgabe von BuzzFeed. Lange schon wird über den Start von BuzzFeed Deutschland gemunkelt und gerätselt. Bislang war allerdings nicht bekannt, wer dahinter stehen wird. Nun […]