Timo Stoppacher: Journalismus der zwei Geschwindigkeiten
0Er hat die 8 Thesen des DJV zur Zukunft des Journalismus mitentwickelt. Hier erklärt Timo Stoppacher, wie sich der DJV verändern muss, um den Anschluss an die Zukunft nicht zu verpassen
Journalisten haben es nicht leicht. Ihre Arbeit wird kaum wert geschätzt und selten angemessen bezahlt. Eigentlich wäre eine starke Interessenvertretung in ihrem Sinn, insbesondere für die Berufseinsteiger. Doch irgendwie kommt da nicht zusammen, was zusammen gehört.
Der Journalismus entwickelt sich weiter, so wie er schon immer getan hat und meiner Meinung nach auch tun sollte. Das Tempo der Weiterentwicklung hat jedoch in den letzten Jahren enorm zugenommen. Da kann oft nicht jeder einzelne Journalist mithalten. Ich nenne das den schnellen Journalismus: Originelle Themen finden, recherchieren, produzieren, crossmedial aufbereiten, twittern und jetzt auch noch mit dem Leser/Zuhörer/Zuschauer auf Augenhöhe die eigene Arbeit diskutieren – ja, ich verstehe, wenn da jemand nicht mehr mitmachen möchte und sich in die gute alte Zeit des Redaktionsschlusses zurücksehnt.
Es gibt in beiden Geschwindigkeiten guten und weniger guten Journalismus.Diese Zeit nenne ich den langsamen Journalismus. Ich möchte betonen, dass diese Bezeichnungen nicht unbedingt etwas mit Qualität zu tun haben müssen. Es gibt in beiden Geschwindigkeiten guten und weniger guten Journalismus. Aber wer nicht ständig unter Strom steht oder Existenzängste haben muss, macht vielleicht den tiefgründigeren Journalismus. Viele Kollegen, die mit den vielen neuen Disziplinen journalistischer Arbeit anbändeln, stellen fest, dass es wahnsinnig viel Spaß machen kann, sich diesen Herausforderungen zu stellen. Journalismus war schon immer eine Herausforderung. Jetzt sind noch weitere Anforderungen dazu gekommen.Nicht mehr jeder wird Mitglied im DJV
Und vor dieser Herausforderung stehen auch die Journalisten-Verbände, allen voran der DJV. Leider sehe ich an vielen Stellen im DJV noch nicht, dass die Herausforderung auch angenommen wird. Das liegt meiner Meinung daran, dass die Mitgliederstruktur des DJV nicht die Realität des Journalismus abbildet. Viele Journalisten, insbesondere die Berufseinsteiger, werden nicht mehr Mitglied im DJV.
An dieser Stelle muss ich mich natürlich outen, beziehungsweise meine Interessenlage offen legen: Ich bin als Beisitzer Mitglied im Landesvorstand des DJV Landesverbands Nordrhein-Westfalen. Und als ich im April in den Landesvorstand gewählt wurde, gab es sogar eine echte Wahl – es gab mehr Kandidaten als Posten. Anders zum Beispiel bei den Wahlen zum Bundesvorstand Anfang November in Hannover: Dort gab es keine Gegenkandidaten, der Bundesvorstand stellte sich geschlossen zur Wiederwahl.
Bei den Wahlen herrscht oft Eintracht und Harmonie. Auf der anderen Seite ist der DJV sehr streitlustig, vor allem in den internen Gremien. Das Problem, das ich auch auf dem Verbandstag offen kritisiert habe, liegt meiner Meinung nach in den vielen persönlichen Befindlichkeiten Einzelner. Denn es sind immer die gleichen, die den „Betrieb“ Verbandstag respektive DJV lahmlegen. Wenn derjenige sich zu Wort meldet, geht ein kollektives Stöhnen durch den Raum. Übrigens handelt es sich bei diesen Personen beinahe ausschließlich um Männer, weshalb hier auf die weibliche Form bewusst verzichtet wird. Wenn ich nach streitlustigen Frauen im DJV suche, fällt mir auf Anhieb keine an. Ein Punkt für die These, dass die Welt von Frauen besser regiert würde.
Die Querelen in den Gremien halten viele Kolleginnen und Kollegen davon ab, sich im DJV zu engagieren.Die Querelen in den Gremien halten viele Kolleginnen und Kollegen davon ab, sich im DJV zu engagieren und den DJV auch nach außen zu vertreten. Dadurch kommen auch weniger junge Journalisten mit dem DJV in Berührung und werden Mitglied. Was wiederum dazu führt, dass es weniger Journalisten gibt, die sich im DJV engagieren. Aber der DJV braucht zwingend Nachwuchs. Denn junge Kolleginnen und Kollegen sind oft ein anderes Tempo gewohnt – ein wesentlich schnelleres. Für sie sind langatmige Gremiensitzungen und die Mühen, überhaupt in die relevanten Gremien zu gelangen, zu langwierig.Was ich an dieser Stelle persönlich sehr schade finde: Ein Antrag, nachdem auf dem Verbandstag mindestens 20 Prozent der Delegierten unter 40 Jahre alt sein sollen, wurde abgelehnt. Ich behaupte, dass das der „langsamen“ Fraktion im DJV zu verdanken ist. Nochmal: es muss sich auch keiner an die neue Geschwindigkeit anpassen, wenn er partout nicht will (wenn der Arbeitgeber es aber vorgibt, hat man natürlich schlechte Karten). Natürlich können Quoten dem DJV kurzfristig nicht helfen, die Geschwindigkeiten zu vereinheitlichen, aber vielleicht wäre es ein Zeichen, dass mehr Beteiligung vom Berufseinsteigern generell gewünscht ist.
Der Verband soll seine Daseinsberechtigung nicht verlieren
Ich bin gerne im DJV Mitglied. Der Verband hat mein Leben in vielerlei Hinsicht bereichert.Wenn die Journalisten der schnelleren Geschwindigkeit (was auch keine Frage des Alters sein muss) sich nun nicht mehr im DJV vertreten fühlen, verliert der Verband eines Tages seine Daseinsberechtigung. Deshalb muss im DJV ein Umdenken stattfinden. Alleine schafft der DJV das vermutlich nur sehr langsam und ich hoffe, nicht zu langsam. Denn ich bin gerne im DJV Mitglied. Der Verband hat mein Leben in vielerlei Hinsicht bereichert: Ich habe interessante Menschen kennengelernt, deren Arbeit mich inspiriert. Ich habe nette Menschen kennengelernt, von denen ich einige zu meinen besten Freunden zähle. Das wichtigste ist jedoch für mich, dass ich das Gefühl habe, mit meinem Engagement für den DJV die Zukunft meines Berufs mitgestalten zu können. Einen Beruf, den ich liebe und den ich gegen keinen anderen eintauschen möchte.Das sollte das wichtigste Argument für jeden sein: den eigenen Beruf mitgestalten. Wer sich immer nur von Verlegern und Co. antreiben lässt, verliert seine Autonomie. Das Umdenken im DJV kann nur stattfinden, wenn genug Mitglieder umdenken und es genug Journalistinnen und Journalisten gibt, die mitgestalten wollen. Der einzelne allein kann wenig bewegen, die Gemeinschaft schon. In den 1980er Jahren hat eine Gewerkschaft das Ende des Kommunismus eingeläutet. Da werden wir es doch im DJV hinkriegen, unseren Beruf zu gestalten oder?
Gestaltet den Beruf, den Ihr noch in Zukunft gerne machen wollt
Mein Aufruf an alle: Engagiert Euch! Mein Aufruf an alle, die schon im DJV Mitglied sind: Engagiert Euch! Ein Argument gegen die Jungen-Quote war: „Es gibt ja gar keine jungen Kollegen, die sich engagieren wollen.“ Klar gibt es die. Aber wenn man als Neuling in eine Clique kommt, hat man es immer schwer, sodass man es vielleicht gar nicht erst probiert. Doch traut Euch! Ihr werdet vielleicht nicht überall sofort mit weit geöffneten Armen empfangen, aber Ihr habt das Recht mitzugestalten. Nutzt es, es ist Euer Beruf, den Ihr noch 20, 30 oder 40 Jahre machen wollt.Und mein Aufruf an die Noch-nicht-Mitglieder lautet jetzt nicht „werdet Mitglied“. Das wäre ja zu einfach und zu plump. Informiert Euch einfach mal über die Leistungen des DJV abseits vom Presseausweis. Besucht DJV-Veranstaltungen, die fast alle auch für Nichtmitglieder offen sind. Lernt die Menschen kennen und redet mit. Irgendwann macht es von alleine Klick.
Über den Autor
Timo Stoppacher, Jahrgang 1983, hat Technikjournalismus studiert und ist als freier Journalist, Buchautor und Dozent in Köln selbständig. Seine Themen sind IT (Smartphones, Internet etc.) sowie Energie- und Kunststofftechnik. Er hat mehrere Bücher und E-Books zu Smartphones verfasst und zum Teil selbst publiziert. Er bloggt u.a. auf www.fitfuerjournalismus.de.