Junge Journalisten wollen nur das eine…
11„Wo wollt Ihr später einmal arbeiten?“ Diese Frage stelle ich immer, wenn ich junge Journalisten treffe. Immer wieder bekomme ich die gleiche Antwort…
Beim Spiegel. Bei der FAZ. Bei der Süddeutschen. Vielleicht noch bei einem öffentlich-rechtlichen TV- oder Radio-Sender – dort wollen heute junge Journalisten nach wie vor arbeiten. Nicht bei Spiegel Online, nicht bei Faz.net, nicht bei der so gut gemachten Süddeutschen im Netz und schon gar nicht bei einem anderen News-Portal. Das höre ich immer wieder.
Ich bin dann regelmäßig schockiert.
Warum wollen die „Digital Natives“ ihre Botschaften auf toten Bäumen verbreiten?Warum wollen diese jungen Menschen, diese „Digital Natives“, die im Gegensatz zu mir mit Smartphone und Internet aufgewachsen sind, ihre Botschaften auf toten Bäumen verbreiten? Warum wollen sie bei Medien arbeiten, die millionenfache Verluste einfahren und zu langem Siechtum verurteilt sind? Warum habe ich eine ungebrochene Begeisterung für die Möglichkeiten des Internet und diese 20-, 21-Jährigen nicht?Weil es bei Journalismus nicht um Technologien geht. Es geht um Ideologie, Philosophie, Sendungsbewusstsein – und Image. Und dieses Image, diese Glaubwürdigkeit und Strahlkraft haben bis heute offensichtlich vor allem die klassischen Medien auf Papier.
Irgendwie freut mich das: Auch mit einer Generation Abstand haben diese jungen Menschen die gleichen Ideale, Wünsche und Ziele, die ich selbst hatte, als ich 1993 mit 21 Jahren meine Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule begann.
Das ist bewundernswert.
Und töricht.
Bewundernswert, weil es das Herzblut und den Idealismus zeigt, die man heute wie vor 20 Jahren braucht, um ein guter Journalist zu sein. Weil es zeigt, welch hohes Ansehen die guten, alten Printmedien heute noch genießen.
Töricht, weil die jungen Menschen mit der Fixierung auf die klassischen Medien unter ihren Möglichkeiten bleiben.
„Lernt das Handwerk gerne bei den klassischen Medien, aber vernachlässigt nicht die neuen“, rate ich dann, „Fangt an zu bloggen. Nutzt Facebook, eröffnet einen Twitter Account. Verknüpft das Offline-Arbeiten mit der Online-Welt – und macht ein Praktikum bei einem Online-Magazin oder einer integrierten Redaktion.“
Das sind Fingerübungen für die Zukunft. Wir müssen heute die Fähigkeiten erwerben, um auch morgen noch unserem Handwerk, dem Journalismus, nachgehen zu können.
Ich glaube, dass heute wie gestern alle Nachwuchsjournalisten eine fundierte Ausbildung benötigen.Um es aber noch einmal klar zu sagen: Ich würde keinem jungen Kollegen raten, sofort eine Karriere als Ein-Frau/Mann-Redaktion im Internet zu starten. Ich glaube, dass heute wie gestern alle Nachwuchsjournalisten eine fundierte Ausbildung benötigen, in einem Volontariat oder an einer Journalistenschule.Sie sollten im geschützten Rahmen einer Redaktion lernen, sich weiterentwickeln, scheitern, gegen Wände rennen und ihre ersten Erfolge feiern. Sie müssen die journalistischen Stilformen und die Recherche beherrschen. Sie müssen wissen, was Urheber- und Persönlichkeitsrechte sind. Es muss ihnen bewusst sein, dass man nicht einfach alles schreibt, was man so hört.
Der Pressekodex und journalistische Ethik sollten keine Fremdwörter für sie sein. Und sie müssen sich bewusst sein, dass sie sich mit jedem unbedachten Artikel nicht nur dem Risiko eines veritablen Shitstorms aussetzen, sondern auch eine handfeste juristische Auseinandersetzung riskieren, die ihnen die Existenz kosten kann, wenn kein Verlag die schützende Hand über sie hält.
Sie müssen die „journalistische Denke“ eingeimpft bekommen. All das lernt man nicht, wenn man als junger Journalist im stillen Kämmerlein vor dem Computer sitzt. Das lernt man nur in einer Redaktion.
Aber: Guter Journalismus bedeutet nunmal nicht, dass man seine Meldungen, Reportagen oder Kommentare auf Papier druckt. Gute Recherche, tolle Schreibe und hoher Anspruch haben nichts damit zu tun, ob das Ergebnis später dann am Zeitungskiosk liegt oder im Internet verbreitet wird.
Eine Redaktion ist eine Redaktion, egal in welchem Medium sie veröffentlicht. Für mich zählt bei der Bewertung ihrer Qualität allein, mit welchem Anspruch sie den Journalismus lebt.
Vielleicht ergibt sich ja für die eine oder den anderen der jungen Journalisten ja auch heute noch die Möglichkeit zu einer tollen Karriere bei den Print-Medien, auch da wird Nachwuchs gebraucht. Denn Print wird sicher nicht ganz so schnell sterben, wie oft prophezeit.
Aber dass die Zukunft digital ist und im Internet liegt, das sollte jedem klar sein, der mit Anfang 20 in den Journalismus startet und noch fast 50 Jahre Berufsleben vor sich hat…
Anmerkung: Dieser Artikel ist ein „Repost“ eines Beitrags aus dem Dezember 2012 – den ich nach Lektüre dieses FAZ-Artikels (Tenor: Nur die Tageszeitung zählt, dieses Neuland-Dings ist doch nur Unfug) einfach nochmal überarbeiten und neu online stellen musste.
[…] JOURNALISMUS Lousy Pennies: Junge Journalisten sind törichterweise printfixiert: Karsten Lohmeyer wundert sich, dass junge Journalisten oft nur für Printmedien arbeiten wollen. Grund dafür ist seiner Meinung nach, dass es bei Journalismus nicht um Technologien geht und das sich die Ideologie, Philosophie und das Sendungsbewusstsein im Vergleich zu früher nicht verändert haben. Das ist gut für den Journalismus, die Printfixierung allerdings töricht, denn die Zukunft liegt im Digitalen. […]
Wenn man die Arbeitsbedingungen betrachtet entscheiden sich die jungen Leute da völlig rational. :-)
Ist das denn so, dass sich die meisten Journalistenschüler und Volontäre auf die klassischen Medien fixieren? Ist es nicht so, dass die meisten um die Bedeutung des Internets wissen, dass das selbstverständlich ist. Dass der Nachwuchs, der sagt, beim Spiegel arbeiten zu wollen, vielleicht gar keinen Unterschied macht zwischen Print und Online?
Das ist ja natürlich eine subjektive Erfahrung – aber die meisten sagen mir explizit, dass sie zum Print wollen. Wenn die Beiträge (später) dann auch online sind, ist das sicher ok, aber die Print-Redaktionen sind in den allermeisten Fällen das Ziel.
Genau das ist auch mein Eindruck, wenn ich mit Gleichgesinnten spreche. Wenn der Artikel gedruckt erscheint, sei das irgendwie „cooler“. Denn: Online könne ja irgendwie jeder – theoretisch zumindest. Im Printprodukt sei der Platz schließlich begrenzt. Wenn man dort etwas unterbringen könne, dann habe man es geschafft…
Irgendwie nachvollziehbar. Auch ich habe mich gefreut, als die W&V neulich ein Interview nicht „nur“ online sondern auch im Print gebracht hat. Aber gleichzeitig stelle ich fest, dass Print-Artikel für mich so lange eigentlich gar nicht existent sind, bis sie online sind und ich sie in sozialen Netzwerken teilen kann… schizophren…
„Das lernt man nur in einer Redaktion.“
Bin gespannt wie lang sich dieser Satz noch hält. Das Journalisten noch immer denken „nur“ sie könnten anderen beibringen wie man als Journalist zu arbeiten habe zeigt wie gestrig/rückwärts gewandt/engstirnig selbst so – scheinbar ? – der Zukunft zugewandte Journalisten wie sie Herr Lohmeyer sind.
(Gedanken-) Grenzen muss man aufbrechen. Der Zugang zum Journalismus ist auf so vielen Wegen offen, da bringt es nichts, wenn man hier so tut, dass es nur den einen Königsweg gibt. Der Besuch bei der Rammlerausstellung schadet sicherlich nicht – aber es ist nicht der einzig lobens-/empfehlenswerte Weg über das örtliche Käseblatt mit seinen Journalisten, die noch mit Gedankenmustern aus der internetfreien Zeit handeln.
Also ich glaube tatsächlich, dass es gerade für junge Kollegen wichtig ist, sich auch mal etwas von den erfahrenen, älteren Kollegen abzuschauen. Journalismus ist und bleibt für mich ein Handwerk, das man durch die Praxis lernt und nicht nur aus Handbüchern und durch reines Ausprobieren. Natürlich sind die Wege in den Journalismus weit verzweigt und offen – und das ist auch gut so.
Aber sich etwas Redaktionsluft um die Nase wehen zu lassen, macht meiner Meinung nach auch im Internetzeitalter sehr viel Sinn. Mit Redaktionen meine ich aber ausdrücklich nicht (nur) Print-Tageszeitungsredaktionen, sondern jede Form von journalistischer Zusammenarbeit, die über „ich sitze allein im stillen Kämmerlein“ hinausgeht. Es kann – und sollte – auf jeden Fall auch ein modernes (Online-)Medium sein, nicht nur das örtliche Lokalblatt, da möchte ich nicht missverstanden werden.
Ich glaube, es hat vor allem drei Gründe, warum viele junge Journalisten Print immer noch als Nonplusultra sehen (zumindest diejenigen, die schreiben wollen – Radio und TV sind nämlich durchaus auch attraktive Arbeitgeber):
Erstens werden Printjournalisten oft noch besser bezahlt. Das ist durchaus ein Argument, wenn man sich durch zahllose, teils unbezahlte, Praktika gekämpft hat und auf eine Festanstellung hofft.
Zweitens glaube ich, dass es in Deutschland noch an innovativem Onlinejournalismus fehlt. Sicherlich: Süddeutsche.de, Zeit Online, Spiegel Online, taz.de, usw. machen im Netz einen sehr guten Job. Aber vom Ursprung her sind sie Printprodukte, die ins Netz „ausgelagert“ wurden. Erst in den letzten Jahren haben sie sich einen Namen als eigenständige und qualitativ hochwertige Medien gemacht. Websites wie Pro Publica, Slate, von mir aus auch Buzzfeed, fehlen hingegen in Deutschland. Es gibt keine originäre Onlinemedienmarken, die neue Arten von Journalismus ausprobieren und dabei nicht abhängig von einem Printprodukt sind, das (noch) den Großteil des Umsatzes einfährt.
Drittens bin ich mir sicher, dass so gut wie alle jungen Journalisten wissen, wie schwierig es ist, Jobs im Print zu bekommen. Aber wer große, tolle Reportagen schreiben will, hatte bisher eben vor allem im Print die Chance dazu. Und das ist nunmal der Traum von vielen jungen Journalisten. Aber glaube, es wird sich in den kommenden Monaten und Jahren viel tun, Stichwort Tablets/Digital Storytelling/Snowfall. Und sobald es digital möglich wird, „Printgeschichten“ zu erzählen (und zwar nicht nur als Feiertagslayout), verliert Print einen ganz großen vermeintlichen Vorteil.
Und spätestens dann wird Onlinejournalismus hoffentlich auch von Durchschnittsjungjournalisten als attraktiv wahrgenommen.
Heute habe ich einen Beitrag über Marina Friedt, freie Journalistin und Dozentin an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation (MHMK) in Hamburg veröffentlicht. Auch sie berichtet, dass nahezu alle Studenten eine Festanstellung im Printsektor anstreben. Nur keiner ihrer Studenten hat eine Zeitung oder gedrucktes Magazin abonniert. Fand ich schon spannend.
Der komplette Beitrag hier: http://www.der-freigeber.de/nur-die-harten-kommen-in-den-garten/
Ich selber mache beides gerne: Print und online. Beides hat seinen eigenen Charme. Da bei Print der Platz begrenzt ist, musst du viele Beiträge einfach knackiger machen oder wie schon Julian sagt: Weil der Platz begrenzt ist, ist es ein toller Erfolg, wenn dein Beitrag ausgewählt wird. Bei online gefällt mir besonders die einfache Vernetzung.
[…] begegne. Karsten Lohmeyer zum Beispiel wunderte sich nämlich im Oktober 2013 im Blog-Post “Junge Journalisten wollen nur das eine…” darüber, dass selbst junge Journalisten eher einen Job in “alten” Medien anstreben […]