Twitter für Journalisten: Warum wir heute alle twittern sollten
16Wo ich vom Rücktritt des Papstes erfahren habe? Auf Twitter. Wo ich zum ersten Mal gelesen habe, dass der Bundestag das Leistungsschutzrecht angenommen hat? Auf Twitter. Und wo ich die meisten meiner Lieblingslinks aus der Welt des digitalen Journalismus finde? Natürlich auf Twitter.
Der Web-Kurznachrichtendienst ist für mich zu einer der wichtigsten Informationsquellen überhaupt geworden. Der Blick auf meinen Twitter-Account hat für mich sogar meine tägliche Dosis Spiegel Online auf den zweiten Platz verdrängt. Und all das, obwohl ich mich jahrelang dagegen gewehrt habe und erst seit dem Start von LousyPennies ernsthaft twittere.
Ich gestehe reumütig: Ich habe Facebook für das bessere soziale Netzwerk gehalten, weil man dort deutlich flexibler Inhalte einstellen und teilen kann.
Twitter hat mich nur verwirrt.
Doch spätestens seitdem mein Facebook-Newsstream zugespamt wird mit lustigen Katzen-Hunden-Babybildern, hilft mir Facebook als reines Informationswerkzeug wenig. Vor allem, weil nur die wenigsten meiner Kollegen-Freunde noch beruflich Relevantes posten.
Warum nun aber Twitter?
- Weil sich die Katzenbilder in Grenzen halten.
- Weil ich mich nicht befreunden muss, sondern beruflich relevanten Personen folgen kann.
- Weil die Beschränkung auf 140 Zeichen Geschwätzigkeit verhindert.
- Weil Twitter extrem schnell ist.
- Weil ich per Twitter unkompliziert mit Lesern und Informanten kommunizieren kann.
- Weil Twitter Besucher auf meine Artikel bringt – und damit auch die Grundlage zum Geldverdienen bilden kann.
Die Kernsätze bei Twitter für mich:
Folge den richtigen Leuten!
Werde in deinem Bereich zum Multiplikator oder „Agenda-Setter“!
Nutze Twitter als Recherche- und Kommunikations-Werkzeug!
Lasst mich das aufdröseln:
1. Folge den richtigen Leuten
Warum:
Die richtigen Leute haben die richtigen Informationen. Wenn ich wahllos auf Folgen klicke, mülle ich meine Twitter-Timeline mit unnötigen Tweets voll, die wirklich relevanten Informationen werden darunter begraben. (Und ja, es gibt die Möglichkeit, Listen anzulegen – das ist mir aber zu aufwändig.)
Wer sind diese Leute:Ich folge prinzipiell allen, die sich professionell mit dem Thema Medienwandel, Medienökonomie und (digitalem) Journalismus beschäftigen. Sehr gerne zum Beispiel Journalismusforschern und journalistischen Vordenkern aus den USA oder UK oder aber junge Journalistenschüler und Innovationsführer aus Deutschland/Österreich/Schweiz. Das heißt für Euch: Folgt den Leuten, die zu den Themen twittern, die für Eure Arbeit interessant sind.
Hier eine spontane Liste von zehn Twitterern, denen ich gerne folge – abseits von Gutjahr, Knüwer, Sixtus und Lobo und ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
- @VoiceOfVocer Tolle Tweets vom tollen Medien.Kritik.Debatten-Portal
- @tobiasgillen Tobias Gillen ist ein junger Netzjournalist mit vielen spannenden Projekten und Texten
- @andybull Andy Bull ist ein britischer Multimedia-Journalist und Journalisten-Ausbilder
- @danieldrepper Daniel Drepper ist freier Journalist im Investigativ-Ressort der WAZ, Wächterpreisträger für die Recherche zur Sportförderung
- @mututemple US-Journalismus-Dozent Dr. Mu Lin bloggt über Journalisten-Ausbildung in der digitalen Ära
- @cjakubetz Christian Jakubetz ist bekannter Blogger, Journalist und (Mit-)Herausgeber des Buches „Universalcode“
- @ojour_de Twitter-Account von Onlinejournalismus.de mit vielen tollen Link-Tipps
- @AndreasWeck Andreas Weck ist Online-Journalist bei t3n und Netzpiloten
- @frischkopp Als Google-Pressesprecher ist Stefan Keuchel natürlich parteiisch, hat aber dennoch viele nützliche Links
- @ploechinger Stefan Plöchinger ist Chefredakteur von SZ.de – und sagt nicht nur als solcher viele schlaue Dinge
Kenne ich den Twitterer nicht, schaue ich mir meist seine/ihre letzten 5 bis 10 Tweets an. Sehe ich dort belanglose, private Posts, folge ich dem Account nicht. Finde ich tolle Links und relevante Aussagen, klicke ich auf Folgen.
Was bringt es:Ich erhalte täglich den kuratierten Input von sehr schlauen Leuten aus aller Welt – und zwar in dem Bereich, der mich interessiert. Es ist meine kostenlose, spezialisierte Nachrichten-Redaktion. Sensationell!
P.S. Das Ganze mische ich natürlich mit ein paar Newsseiten aus dem In- und Ausland und weiteren interessanten Twitterern – so dass ich auch einen Papst-Rücktritt mitbekomme.
2. Werde in deinem Bereich zum Multiplikator oder „Agenda-Setter“
Warum:
Die Zahl der Menschen, die Dir folgen, weil Sie Dich persönlich kennen, ist begrenzt – und oft nicht dauerhaft zielführend. Wenn Dir relevante oder auch nur interessierte Personen aus Deinem Themenbereich folgen, ist das Gold (=Reichweite) Wert.
Wie geht das:Schreibe in Deinem professionellen Twitter-Account nur relevante Beiträge. Dabei solltest Du davon ausgehen, dass potentielle Follower ähnlich auswählen, wie von mir in Punkt 1 beschrieben. Mische dabei Links zu eigenen Inhalten mit Retweets. Ab und zu etwas zum Halbprivates und zum Schmunzeln geht aber auch. Beweise hier, dass Du ein professioneller Schreiber bist und News auf den Punkt bringen kannst.
Was sollte man nicht tun:Tweets über Deine Gefühlslage und das Wetter solltest Du sparsam einsetzen, auf Katzenbilder (ich habe 3 Katzen!) besser verzichten. Ab und zu mal ein amüsanter Schenkelklopfer, ist aber nicht schlecht. Wie selbsternannte Social-Media-Evangelisten sehr gut wissen, bewirkt der größte „Schmarrn“, wie wir in Bayern sagen, oft die größte Aufmerksamkeit – und viele, viele Retweets.
Aber zu echten „Off-Topics“ würde ich in diesem sehr fokussierten Twitter-Account (wir reden hier vom Twitter-Account Deines Blogs, Deines Online-Magazins) keine Stellung beziehen. Ich hatte zum Beispiel sehr lange überlegt, einen Tweet zu #Aufschrei abzusetzen, habe mich dann aber aus den verschiedensten Gründen dagegen entschieden. Vor allem aber, weil das Thema mit dem sehr spitzen Fokus „Geldverdienen mit Journalismus“ wohl kaum etwas zu tun hatte.
Was bringt es:Eine Positionierung als Experte in Deinem Themenbereich und eine treue Leserschaft, die „gute“ Tweets von Dir weiter verbreitet (retweeted) und dafür sorgt, dass Dir weitere Menschen folgen. Dies wiederum hilft Dir nicht nur beim Aufbau Deiner journalistischen Marke, sondern bringt den berühmten „Traffic“ auf Deine Seite, der im Endeffekt Grundlage der Monetarisierung ist. Bei der sehr jungen Seite LousyPennies.de zum Beispiel kommt der größte Teil unserer Leser tatsächlich über Twitter.
3. Nutze Twitter als Recherche- und Kommunikations-Werkzeug.
Warum:
Wie schon gesagt: Nichts verbreitet schneller und effektiver Nachrichten als Twitter. Wer etwas zu sagen hat, tut das heute meist auf Twitter – und ist so die beste und schnellste Informationsquelle für eine Recherche zu (aktuellen) Themen. Als Beispiel wird hier immer wieder gerne die Twitter-Berichterstattung zu den „London Riots“ genannt. Von Twitters entscheidender Rolle beim arabischen Frühling will ich hier nicht weiter groß schreiben…
Wie geht das:Die Twitter-Suche ist schon nicht schlecht, kennt man auch noch den – im Idealfall einheitlichen – Hashtag (Also ein Wort, das mit # gekennzeichnet wurde) zu einem aktuellen Ereignis kann man alle Tweets dazu bequem filtern. Spannend sind auch die „Trending Topics“, die Twitter-Trends, die Dir Twitter auf der Startseite ausgibt. Mit einem Klick auf „Ändern“ kannst Du sie für Deine persönlichen Bedürfnisse anpassen und aktuellen Ereignissen folgen. Parallel dazu kannst Du Fragen an die Twitter-Gemeinde oder bestimmte Twitterer stellen und auch einen eigenen Hashtag kreieren.
Was kann man sonst tun:Über Twitter lassen sich auch (Recherche-)Gespräche führen und sogar Interview-Fragen stellen. Ich habe das auf den CeBIT Global Conferences probiert, als ich SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück per Twitter nach dem Leistungsschutzrecht frage.
Frage an @peersteinbrueck auf den #cgc13 Wird die SPD das Leistungsschutzrecht im Bundesrat kippen?
— Karsten Lohmeyer (@LousyPennies) 6. März 2013
Ich saß zwar im Publikum, weil ich (Disclaimer!) im Auftrag der Messe von den CGC bloggte, und hätte auch ein Mikro nehmen können – aber in diesem Fall fand ich es spannender, die Frage per Twitter zu stellen.
Die Antwort seht Ihr in diesem Video, etwa bei 6:00 Minuten:
Was noch wichtig ist:Twitter ist nicht nur ein Nachrichtenverbreitungs- sondern auch ein echtes Kommunikationsmedium. Ihr könnt mit ihm öffentlich (per Tweet, Retweet und Antwort-Tweet) und auch nichtöffentlich mit anderen Twitter-Nutzern in Verbindung treten. So erhält man oft sehr wichtigen Input und schlaue Antworten auf komplizierte Fragen, nutzt die so genannte „Follower Power“ und findet die eine oder andere neue Story.
Was sollte also jeder Journalist tun?
- Twitter als wichtiges, professionelles Werkzeug für die eigene Informationsbeschaffung begreifen.
- Recherchieren: Ist Twitter auch für meine Zielgruppe interessant?
- Relevante Tweets absetzen und zu einer Instanz werden.
- Relevanten Leuten/Medien folgen (Aber erst nach den ersten eigenen Tweets, damit die relevanten Leute sehen, dass Ihr ebenfalls relevant seid und daher auch Euch folgen)
- Den eigenen Account kontinuierlich pflegen und Follower aufbauen (nicht so einfach).
- LousyPennies auf Twitter folgen – und zwar hier ;-)
Wer jetzt noch nicht überzeugt ist, sollte sich diese Präsentation ansehen, die Maike Haselmann, Social-Media-Redakteurin bei Spiegel Online, zur Social Media Week in Hamburg verfasst hat. Dank an dieser Stelle an Vocer fürs Einstellen.
Dann gleich noch ein Lesetipp auf Vocer: „Social Media ist Arbeitserleichterung“
Und zum Schluss noch ein Tipp:
Twitter kann am Anfang mit seinen Hashtags (#) und Kommunikationsgepflogenheiten etwas verwirrend sein, ich lerne auch noch täglich dazu. Deshalb lasst Euch Zeit und freundet Euch mit dem Medium am. Eine schöne englischsprachige Infografik zum Twittern findet Ihr hier.
Ich weiß, „man“ schreibt jetzt nicht einfach „toller Beitrag“. Aber was tun, wenn’s doch stimmt :) ?
Interessant in diesem Zusammenhang: http://www.focus.de/digital/internet/netzoekonomie-blog/journalismus-twitter-als-nachrichteninstrument-deutschland-ist-schlusslicht_aid_941855.html
– Hans Steup, Berlin
Was Journalisten außerdem müssen: Nicht jedem „Was Journalisten müssen“ folgen. Kleiner Scherz, danke für die Auflistung.
Schöne Zusammenfassung. Flattr +1
Eine gute Gelegenheit, dieses passende Bonmot aus der Kiste zu holen:
„Twitter is a simple tool for smart people, Facebook is a smart tool for simple people.“ :-)
„Wo ich vom Rücktritt des Papstes erfahren habe? Auf Twitter. Wo ich zum ersten Mal gelesen habe, dass der Bundestag das Leistungsschutzrecht angenommen hat? Auf Twitter. Und wo ich die meisten meiner Lieblingslinks aus der Welt des digitalen Journalismus finde? Natürlich auf Twitter.“
Sorry, aber das sind sehr schlechte Beispiele für die angeblichen Vorteile von Twitter. Alles o.g. hätte man auch so mitbekommen, wenn man nur 5 Minuten länger gewartet hätte. :)
Dass der Bundestag das LSR annimmt, hätte ich dir auch schon einen Tag zuvor sagen können. Wenn Twitter lediglich für wenige Minuten Pseudo-Nachrichtenschnelle gut ist, dann aber gute Nacht Nerd-Spielzeug. ;)
[…] Twitter ist schon sieben Jahre alt – und Karsten Lohmeyer erklärt, warum Journalisten unbedingt die Kurznachrichten nutzen sollten. Punkt 1: Weil sich die Katzenbilder in Grenzen halten. Warum Journalisten twittern sollten […]
[…] “Wo ich vom Rücktritt des Papstes erfahren habe? Auf Twitter. Wo ich zum ersten Mal gelesen h… […]
[…] knüpfen, sondern auch Leserkreise erschließen. Lousypennies erläutert das sehr gut am Beispiel Twitter, auch wenn dieser Beitrag eher auf Journalisten ausgerichtet […]
[…] nutzen. Viele von uns haben einen Account, aber folgen wir den richtigen Leuten? Lohmeyer gibt Hinweise zum klugen Twitter-Gebrauch und auch wenn sich sein Artikel an Journalisten richtet, sind diese […]
[…] dass der Bundestag das Leistungsschutzrecht angenommen hat? Auf Twitter.” sagt der Journalist Karsten Lohmeyer in einem sehr lesenswerten Artikel über die Vorteile von Twitter. Das geht mir nicht anders – sowohl bezogen auf allgemeine News als auch auf Branchennews. […]
[…] Karsten Lohmeyer, Lousy pennies: Twitter für Journalisten: Warum wir heute alle twittern sollten […]
[…] dann habe ich kurz lust, mich auf das niveau zu begeben, mich zu erklären, einen vortrag zu halten, dass dies eben zu meinem beruf dazugehört (siehe: lousy pennies zum thema twitternde journalisten). […]
Schade, dass Sie offenbar keine einzige „folgenswerte“ Frau in diesem Themenbereich identifiziert haben! Das macht den täglichen Twitter-Konsum doch etwas einseitig, würde ich vermuten…
Diese Liste ist ja schon etwas älter und sicher auch nicht mit Absicht auf das männliche Geschlecht fixiert. Ich würde auf alle Fälle empfehlen: Anita Zielina, Katharina Borchert, Carolin Neumann, Franziska Bluhm, Silke Burmester und eigentlich alle Digital Media Women
Ich habe den Artikel zwar erst heute per Google-Suche entdeckt (tadaa!), aber er ist meiner Ansicht nach heute sogar noch relevanter, als vor zweieinhalb Jahren. Und @lousypennies hat jetzt wieder einen Follower mehr! :-)
Prima :)